Das Gebäude extra muros, nach seinem Ausgräber auch bisweilen "Frovabau" genannt, befindet sich am westlichen Ende der Südflanke von Oescus I, unmittelbar am Graben des Befestigungssystems.
Der Bau ist in seinem größten Teil bis zu einer Höhe
von etwa 0,80 bis 1,20 m über dem von Frova angenommenen Fußbodenniveau
(vgl. Abschnitt »Mauerwerk«) erhalten. Abgesehen von den unten
im einzelnen zu nennenden Beschädigungen bilden die bis auf eben dieses
Niveau zerstörte Südostecke des Gebäudes und das Nordostende
der kleinen Beiräume nördlich von Raum C die wichtigsten Ausnahmen.
Das Gebäude wurde während dreier Kampagnen der Italienischen
Archäologischen Mission in Bulgarien 1941-1943 von italienischen und
bulgarischen Archäologinnen und Archäologen ausgegraben. Über
die Ergebnisse der beiden ersten Kampagnen erschienen Vorberichte in italienischer
Sprache[71], die in einem weiteren bulgarischen
Bericht[72] zusammengefaßt sind.
Da bei den Luftangriffen auf Sofia die gesamte Grabungsdokumentation einschließlich
der Fotografien verloren gegangen ist, stellen diese Berichte und die in
ihnen veröffentlichten Pläne und Fotografien die einzige Quelle
für den Grabungsbefund außer dem Gebäude selbst dar.
In den 80er Jahren wurde das Gebäude gesichert und teilweise restauriert.
Dabei wurden weitgehend freiliegendes Emplekton mit neuen Schalmauern verblendet,
die Mauern auf eine nahezu einheitliche Höhe ergänzt und die
Mauerkrone, wo notwendig, mit Beton gesichert. Leider wurde im Zuge der
insgesamt verhältnismäßig behutsamen Maßnahmen an
einer Stelle auch eine Öffnung verschlossen, in der laut Grabungsbericht
Reste von Ziegelwangen gefunden wurden und die somit als antik zu gelten
hatte.
Das Gebäude erstreckt sich über eine Fläche von 52,50
x 64,00 m (Abb. 14). Seine Orientierung läßt sich weder zur
Bebauung intra muros noch zur Stadtmauer selbst in Beziehung setzen: Die
Achse des Gebäudes weicht von der Nord Südrichtung um ca. 16°
nach Nordnordwest ab, d. h. um ca. 40° von der Orientierung der cardines.
Der Plan gliedert sich in acht große, tief fundamentierte und drei
kleinere und flach fundamentierte Räume, die im folgenden einzeln
beschrieben werden. Es lassen sich zwei Raumkomplexe unterscheiden: Eine
westliche,[73] nahezu symmetrische Raumreihe
aus den identischen rechteckigen Räumen D und E, den angrenzenden
Apsidialräumen C und F sowie den an C sich anschließenden drei
kleinen Räumen. Der zweite Komplex, der an der Nordseite hinter den
ersten zurücktritt, besteht aus dem großen rechteckigen Raum
G, der sich östlich an die Räume D-F legt, dem kleineren Raum
B und dem Apsidialraum A, die sich an Raum G nördlich anschließen,
und dem den Komplex nach Westen abschließenden langgestreckten Raum
H. Zwischen den Teilen des Gebäudes wurde bei Autopsie keine Spur
einer Baufuge gefunden, d. h. das Gebäude ist in einem Zuge entstanden.
Da von dem Gebäude keine Nivellements vorliegen, muß als
einziges Maß zur Höhenangabe das Verhältnis zu den Reihen
des Mauerwerks herangezogen werden. Das ist insofern möglich, als
das Mauerwerk mit großer Regelmäßigkeit ausgeführt
und die Reihen augenscheinlich sehr exakt waagerecht ausgerichtet sind.
Es handelt sich um opus mixtum aus Schalmauern von rechteckigen
Kalksteinblöcken mit Emplekton aus Bruchsteinen mit Mörtel und
durchgehenden Ziegelbändern, das sich von unten folgendermaßen
aufbaut (Abb. 15):[74] Auf einer Schicht
von Schwemmsand setzt eine Reihe großer Fundamentblöcke von
über einem Meter Länge auf, deren Untergrenze wegen des hohen
Grundwasserstandes nicht erreicht werden konnte, gefolgt von einer 1,35
m hohen Mauer aus unbehauenen Steinen, darüber ein horizontal vortretender
Grat aus gelblichem Mörtel (Abb. 16), über dem die glatt gearbeitete
Mauer beginnt: zunächst ca. 0,65 m zu vier Steinreihen, dann eine
Ziegelreihe, die örtlich fehlt, darauf ca. 0,60 m zu vier Steinreihen,
gefolgt von einem ca. 25 cm starken Band aus drei Ziegelreihen, das vom
Frova als Fußbodenniveau angesehen wird. Darüber folgen sieben
Reihen Steinblöcke mit ca. 1,20 m, auf denen Frova an einigen Stellen
noch bis zu drei Reihen Ziegel fand. Heute existiert nur an einer Stelle
noch eine Reihe. Insgesamt ergibt sich also eine maximale Erhaltung von
4,10 m ab Fundamentunterkante. Entscheidend zur Orientierung ist das als
Fußbodenniveau angesprochene Band von drei Ziegelreihen. Die durchschnittliche
Erhaltung, soweit nach der Restaurierung noch zu beurteilen, liegt bei
etwa fünf Steinreihen darüber.
Ein Kalksteinblock des Schalmauerwerks mißt mit einiger Regelmäßigkeit
0,15 x 0,17 m, Die in situ befindlichen Ziegel sind 0,06 m hoch,
die Fugen sind 0,02 bis 0,04 m breit.[75]
Das erwähnte Band von drei Ziegelreihen ragt im Vergleich zu den darüberliegenden
Tuffblöcken sowohl an den inneren als auch den äußeren
Mauern um 0,03 m bis 0,15 m hervor, ohne jedoch ein einheitliches Bankett
zu bilden. An einigen Stellen bindet das Ziegelband auch glatt in die Wand
ein (z. B. an Apsis A innen). Wahrscheinlich dienten die Ziegelreihen dem
Ausgleich von Unregelmäßigkeiten in den Mauern, sowohl was Mauerbreite
(Band von drei Ziegelreihen) als auch Niveau (die nur zum Teil vorhandene
tieferliegende einzelne Ziegelreihe) betraf.
Alle exponierten Teile des Mauerwerks ("Türwangen", Ecken
der Apsiden etc.) wurden ganz in Ziegeln ausgeführt, die mit dem umgebenden
Mauerwerk verzahnt wurden.
Ein Fußboden selbst wurde nicht freigelegt, der Ausgräber spricht
von einer starken Schicht von antikem Material unter dem Band von drei
Ziegelreihen, die auch das Schwellenniveau der Maueröffnungen, wo
erhalten, darstellen.[76]
Vom aufgehenden Mauerwerk oberhalb der Erhaltungshöhe fanden sich
neben großen Konglomeratblöcken mit und ohne anhaftende Schalmauerstücke
auch Blöcke von Ziegelmauerwerk (bis zu neun Reihen), darunter auch
Teile von Ziegelgewölben. Für die Überwölbung der Räume
sprechen daneben außer der Mauerstärke auch die Funde von Amphorenböden
mit anhaftendem Mörtel.[77] Neben dem anscheinend
vor allem für die Fundamente verwendeten gelblichen Mörtel findet
sich am Gebäude ein rötlicher Mörtel mit hohem Ziegelsplitanteil
sowohl für Emplekton und Schalmauern im gesamten oberirdischen Bereich
als auch in den unterirdischen Korridoren (Abb. 17; s. u.).[78]
Raum A ist ein Apsidialraum an der N Seite des Gebäudes. Er mißt
20,40 x 11,40 m. Die Apsis mit dem Radius von 4,70 m schließt sich
bis auf eine Öffnung von 9,20 m, ihr Zentrum ist um 1,05 m von ihrem
Ansatz an den Seitenmauern nach außen verschoben.
Die Mauer der Apsis ist 1,55 m stark; die Westmauer, die zweitstärkste
im gesamten Gebäude, mißt 2,90 m. Sie fing den Außenschub
der Gewölbe über B und A auf.
Am Westende der Apsis durchquert eine Tonröhre (Durchmesser 0,15 m)
über der fünften Steinreihe oberhalb des erwähnten Ziegelbandes
horizontal die Mauer in Richtung auf die Außenecke der Apsis. (Abb.
18) Das Mauerwerk ist nach Ausweis der alten Aufnahmen an allen Stellen
des Raumes oberhalb des Bandes von drei Ziegelreihen erhalten, d. h. es
kann auf diesem Niveau kein Zugang zu diesem Raum existiert haben. Am Westende
der Apsis schließt sich eine schlecht gearbeitete Mauer rechtwinklig
an die Wand des Raumes an. Wie von allen späteren Mauern ist von ihr
heute keine Spur mehr zu sehen.
Im Raum fanden sich viele und sehr große verstürzte Konglomeratblöcke.
Der kleinste der acht Haupträume mißt 11,80 x 8,45 m. Er hatte in der Mitte der Nordwand eine 1,20 m breite Öffnung, deren Ziegelwangen noch gut erhalten sind. Die Nordwand ist 1,35 m stark. Im Raum kamen besonders viele Bruchsücke des aufgehenden Mauerwerks zutage, darunter auch Gewölbe- und Bogenfragmente. Sie lagen auf einem später in der Längsachse des Raumes eingezogenen Mäuerchen von grober Arbeit.
Raum C mit einer Größe von 23,40 x 12,50 m ist der
im Grundriß am reichsten gegliederte Raum. Die Nordwand besteht aus
zwei mächtigen Pfeilern von 3,80 x 4,20 m, zwischen denen sich eine
große Nische von 6,00 x 2,50 m öffnet, sowie zwei Durchgängen
in die nördlichen Nebenräume mit Breiten von 3,70 m und 2,80
m. Durchgänge und Nische befinden sich auf Höhe des bewußten
Ziegelreihenbandes. Die Nordwand ist die am höchsten erhaltene Stelle
des Gebäudes. In den 20er Jahren erhob sich der östliche Pfeiler
noch über die das Gebäude bedeckende Erde, wurden dann aber gesprengt.
Die Apsis mit einem Radius von 5,30 m zieht sich im Norden unter dem Durchgangsniveau
bis zum Pfeiler, entsprechend der Südecke. Symmetrisch zum Apsisende
im Westen und zum Durchgang im Norden ist auch das Ostende der Südmauer
mit einer Ziegelverstärkung verbreitert. Die Ostwand hat in Höhe
des Bandes von drei Ziegelreihen ein durchschnittlich 0,35 m breites Bankett,
das möglicherweise dem Ausgleich der Mauerbreite in Zusammenhang mit
den noch zu behandelnden Gängen im Fundament dient. Dafür spricht
auch der Vergleich der Mauerbreite: Die Südmauer ist 1,95 stark, die
Ostmauer oberhalb des Banketts 1,50 m, d h. sie erreicht im Fundament mit
dem Bankett zusammen etwa die gleiche Stärke. Die Mauer der Apsis
mißt 1,43 m. In der Ostmauer befindet sich innerhalb des östlichen
Durchgangs zu den kleinen nordwestlichen Räumen eine ca. 0,80 m breite
Öffnung, die bis unter die Höhe des Bandes von drei Ziegelreihen
ausgebrochen ist und von der nicht eindeutig entschieden werden kann, ob
sie zum antiken Baubestand gehört. Spuren von Ziegelwangen sind nicht
vorhanden.
In diesem Raum stieß man auf einige offensichtlich spätere Strukturen:
Zwei flache Mäuerchen aus Steinen und Ziegeln des Gebäudes mit
einer Länge von 3,80 m und 2,60 m schlossen sich auf der Höhe
des Bandes von drei Ziegelreihen an die Nord- und die Ostmauer an. Ein
Brunnen, dessen Öffnung von 0,87 x 0,65 m auf Höhe der zweiten
Steinreihe unter dem Band von drei Ziegelreihen lag, befand sich südlich
des Zentrums und schräg zum Raum. In ihm kam unter anderem der Fuß
einer Bronzestatue zum Vorschein.[80]
Nördlich des Raumes C schließt sich eine Reihe von drei kleineren Räumen mit einer Größe von jeweils 4,30 x 6,00É6,50 m an. Außer den beiden schon erwähnten Durchgängen von Raum C her gibt es am N Ende der W Seite einen Eingang von 1,28 m Breite. Die Schwellen bzw. die Durchgangshöhe aller drei Zugänge bildet das Band von drei Ziegelreihen. Die Mauern dieser Räume sind nur bis wenig unter dieses Niveau fundamentiert. Die Nordmauer hat eine Stärke von 1,35 m, die Westmauer eine von 1,43 m. Die Nordostecke der Raumreihe ist bis auf die Fundamentierung zerstört. (Abb. 19)
Die identischen Räume D und E (Abb.20) haben eine Größe
von je 12 x 18 m und jeweils eine zentrale Öffnung von ca. 2,60 m
Breite an der W-Seite. Diese Öffnungen sind stark ausgebrochen, aber
es gibt noch Spuren von Ziegelwangen, so daß sie als antik zu gelten
haben. Die Räume sind durch fünf schmale Öffnungen von 0,60
bis 0,80 m Breite miteinander verbunden, die über dem Band von drei
Ziegelreihen beginnen und höher als die Erhaltungshöhe der Mauer,
d. h. höher als 1 m waren. Die in Ost-West-Richtung verlaufenden Mauern
haben jeweils eine Stärke 1,95 m, die Ostmauer mißt 1,82 m und
die Westmauer 1,45 m.
Auch in Raum E fanden sich flache Steinsetzungen wenig unterhalb der Höhe
des Bandes von drei Ziegelreihen. Sie enthielten wiederum Spolien, so daß
sie für später als der ursprüngliche Bau angesehen werden
müssen.
An der Außenseite vor dem Eingang in D fand sich unter dem Band von
drei Ziegelreihen an den Schalmauerblöcken Spuren einer groben,
unregelmäßigen Zementschicht.
Der südliche Apsidialraum F hat eine Größe von 12,00
x 24,60 m, der Radius der glatt einbindenden Apsis beträgt 6 m. Es
fanden sich jeweils an den Apsidenenden Öffnungen, die beide sehr
beschädigt waren und eine Breite von 2,70 im Norden und 2,80 im Süden
hatten. Die nördliche Öffnung befand sich in der Mauer der Apsis.
An ihr sah Frova noch Reste einer Ziegelwange. Sie wurden bei der Restaurierung
offensichtlich nicht erkannt und die Mauer wurde durchgehend restauriert.
Die Öffnung ging nicht durch die Nordmauer, insbesondere wurde der
Abschluß des Korridors in ihr nicht beeinflußt. Die südliche
Öffnung befindet sich am Ende der Südwand. Reste von Ziegelwangen
werden bei ihr nicht erwähnt.
Die Nordwand zeigte zum Raum E hin einen Durchbruch, der auch den Scheitel
des Gewölbes der Gänge in der Mauer abtrug und als regelmäßiger,
schräger Schnitt von 4,25 bis 5,25 m Länge bis unter die Höhe
des Bandes von drei Ziegelreihen geführt wurde. Da sich keine Spuren
einer Ziegelverkleidung fanden, darf davon ausgegangen werden, daß
es sich hier um einen späteren Durchbruch handelt.
Die Südwand schließt sich an die Apsis außen mit einer
auffälligen Ecke an, die daher rührt, daß sie, da sie den
Schub einer Gewölbereihe (C-F) aufzufangen hat, um 1,45 m stärker
als die Apsismauer (1, 47 m) ist; das Mauerwerk ist auch an dieser Stelle
ohne jede Baufuge.
Eine besser gebaute späte Mauer schloß sich mit einer Länge
von 8,40 m ungefähr in der Längsachse des Raumes an die Ostmauer
an. Sie befand sich auf der Höhe der zweiten Steinreihe unter dem
Band von drei Ziegelreihen, war bis zu einem Meter Höhe erhalten und
0,90 m breit.
Der rechteckige Raum (Abb. 21) mit einer Größe von 23,05
x 41,00 m wird durch sechs 2,25 bis 2,40 m starke und 5,72 m lange Zungenmauern
in acht etwa gleichgroße Teilräume gegliedert, die aber weder
exakt übereinstimmen noch symmetrisch sind. Eine stark beschädigte
Öffnung von 1,20 m Breite mit den Resten von Ziegelwangen fand sich
in der Mitte der Südwand. Die Südmauer hat eine Stärke von
1, 65 m, die Ostmauer ist 1,95 m dick.
Im Westteil des Raumes fand sich der größte Teil der verstürzten
Mauerstücke des Gebäudes, darunter Stücke mit bis zu neun
Ziegelreihen. Sie waren tief in das Gelände eingeschlagen, was bedeutet,
daß sie aus großer Höhe gestürzt sind. In der Raummitte
lag eine Anhäufung großer Porosblöcke.
Im südöstlichen Teilraum stieß man knapp unter der Höhe
des Bandes von drei Ziegelreihen auf einen Fußboden aus offensichtlich
wiederverwendeten Ziegeln und weißen Marmorplatten. Auf dem gleichen
Niveau kam neben einigen Architekturteilen auch eine Grabstele mit Inschrift
zutage. Der zweite Teilraum von Süden auf der Ostseite des Raumes
war durch ein spätes Mäuerchen mit zentraler Öffnung abgeteilt.
Der mit 47,00 x 16,25 m größte Raum des Gebäudes hat
die wenigsten Besonderheiten aufzuweisen. Zwei Öffnungen mit Ziegelresten
in der Ostwand sind beide ca. 1,55 m breit und asymmetrisch angeordnet.
Die Südmauer ist 1,75 m, die Nordmauer 1,80 m und die Ostmauer 2,10
m stark. Die Südostecke war bis auf das Niveau des Bandes von drei
Ziegelreihen hinab auf 3,95 m nach Süden und 6,20 m nach Norden zerstört.
Neben anderen späten Mäuerchen führte eine kleine Treppe
von drei Stufen, in der auch eine Säulentrommel verbaut war, zur Südmauer.
Die auffälligste konstruktive Besonderheit des Gebäudes ist
die Tatsache, daß in den Fundamenten aller Innenmauern des Gebäudes
einschließlich der Mauerzungen in G überwölbte Gänge
von ca. 0,50 m Breite und 1,50 m Höhe verlaufen (Abb. 22). Von diesen
gehen, außer in den Mauern zwischen Raum G und den Räumen A
und B sowie zwischen Raum G und den Räumen E und F, im Abstand von
ca. 3 m, in den Mauerzungen 1,50 m, Tonröhren mit einem Durchmesser
von 0,30 m innerhalb der Mauern senkrecht nach oben (Abb. 23).
Tonröhren mit einem Durchmesser 0,15 m verlaufen schräg durch
die Mauer und münden im Raum oberhalb des Ziegelbandes, das dem oberen
Abschluß des Gewölbes entspricht. Frova schreibt von sieben
Schrägröhren, in allen Räumen außer G und H mindestens
eine, in Raum B eine weitere.[82] Ich konnte
trotz intensiver Suche sowohl in den Räumen als auch in den Korridoren
die Schrägröhren für die Räume C und D nicht identifizieren.[83]
Die Einmündungen der gefundenen Schrägröhren in den Räumen
wurden wie folgt lokalisert:
Der Eingang in die Korridore befand sich westlich von
Raum A. Es sind heute noch sechs Treppenstufen erhalten, über die
man von einer Plattform auf dem Niveau des Ziegelbandes in die Korridore
hinabsteigt, wobei Frova nicht ausschließt, daß die Treppe
ursprünglich länger und die Eingangsplattform höher war
(Abb. 24).[84]
Der Fußboden besteht aus Ziegelplatten, die an einigen Stellen entfernt
sind.
Der Ausgräber deutet Mörtelspuren an den Wänden der Gänge
als Reste eines Verputzes. Seine Zusammensetzung ist eine andere als die
des in den Schalmauern der Gänge verwendeten Mörtels: Dieser
sei aus Flußsand und Kalk unter Verwendung von wenig und feinen Ziegelpartikeln
gemischt und entspreche den Anweisungen Vitruvs (Sand : Kalk = 3 : 1).
Der Verputz der Gänge hingegen sei dunkelrot durch Ziegelsplit und
schwärzliche Mineralien (wie Vitruv für wasserfesten Mörtel
empfiehlt) im Verhältnis Sand/Ziegelsplit : Kalk = 3: 1.
Der festgestellte höhere Anteil an Eisen-, Aluminium- und Siliziumoxid
gehe auf den Ziegelsplit zurück. Diese Mineralien bildeten mit dem
Kohlendioxid der Luft einen wasserfesten Putz.[85]
An anderer Stelle[86] meint der Ausgräber
allerdings ausdrücklich, es handle sich nicht um echten wasserfesten
Putz wie in Wasserleitungen.
Es ist aus dem heutigen Zustand schwer zu entscheiden, ob es sich bei dem
in den Gängen sichtbaren Mörtel wirklich um Reste eines Verputzes
oder um bei der Arbeit verlaufene Masse handelt. Jedenfalls habe ich derartigen
rötlichen Mörtel auch am westlichen Pfeiler von Raum C gefunden.[87]
Es wurden außer den beschriebenen keine Öffnungen der Korridore
gefunden. Das Ende des Korridors östlich von Raum A ist zerstört.
Außerdem ist dieser Korridor etwas breiter (60É70 cm) und
die Röhren haben hier unregelmäßigen Abstand (2 m, 5 m,
3 m). Am Ende des Korridors findet sich im oberen Teil der Mauer ein Eckblock,
der die breitere Mauer neben dem Apsisansatz abschloß. Er befindet
sich oberhalb der Höhe des Bandes von drei Ziegelreihen und damit
über dem Gewölbescheitel des Korridors. Der Boden vor dem Gang
wurde aufmerksam untersucht, jedoch scheint es sich um gewachsenen Boden
gehandelt zu haben.
Das Gebäude wurde außen bis durchschnittlich 4 m von den
Mauern freigelegt, in der Regel bis zu einer Tiefe von fünf Steinreihen
unter dem Ziegelband. Es fanden sich an keiner Stelle Hinweise auf Anbauten.
An der Südostecke kam sich in Höhe der vierten bis fünften
Steinreihe unter dem Band von drei Ziegelreihen eine Pflasterung
zum Vorschein, die das Gebäude von Südosten erreichte und mit
unterschiedlicher Breite und unterschiedlichem Niveau bis zur Öffnung
in der Südmauer von Raum G begleitete. Sie wurde von Frova als Straße
gedeutet. Ebenso zeigte sich an der Nordostecke eine schlecht erhaltene
Straße von primitiver Bauart mit Orientierung Nordwest-Südost.
Ca. 7 m nordöstlich des Gebäudes erschien im Graben der Stadtbefestigung
eine Mauerecke, die aus einer Mauer parallel zum Graben und einer rechtwinklig
dazu verlaufenden bestand. Ihre Spitze war auf das Gebäude hin gerichtet.
Die auf Sicht gearbeiteten Seiten befinden sich auf der Inneseite des Winkels,
also vom Gebäude abgewandt. Die Mauerecke ist offensichtlich später
als das Gebäude entstanden und hat mehrere Bauphasen.[88]
Ihr Verhältnis zum Gebäude und - vielleicht noch interssanter
- zum Graben wird nur durch weitere Ausgrabungen zu klären sein.
Die oben beschriebenen einfach gearbeiteten späten Mauern, die
meist nur eine Steinreihe ausmachen, dienten wohl als Fundamentierung für
Lehmziegelmauern. Die Mauern verwenden oft Säulentrommeln oder andere
Spolien. Die späteren Einbauten lassen zumindest aufgrund der Berichte
- es finden sich heute keine Spuren mehr von ihnen an der Oberfläche
- kein klares Bild erkennen; es handelt wohl um ein relativ planloses Abtrennen
von Raumteilen in dem noch zumindest teilweise überdachten Großbau.
Besonders deutlich wird das bei der Abteilung des Raumes zwischen zwei
Mauerzungen in G.
In Raum C wurde 2,00 m unter dem Ausgangsniveau und 1,33 m unter der erhaltenen
Mauerhöhe ein Ziegelkastengrab mit einem Skelett ohne Ausstattung
entdeckt. Ein ebensolches, allerdings leeres Grab kam in Raum F 1,50 m
unter dem Ausgangsniveau zum Vorschein, auf dem gleichen Niveau außerhalb
der W-Mauer ein kleineres. Nördlich von Apsis A wurde ein Skelett
auf der Höhe der vierten Steinreihe unter dem Ziegelband, also sehr
tief, gefunden.
In einer Höhe von 0,70 m unter dem Ausgangsniveau, d. h. oberhalb
der Erhaltungshöhe der Mauern, lagen 37 Bestattungen in blanker Erde
ohne oder nur mit ärmlichen Beigaben. Die Datierung fällt aufgrund
der unspezifischen Beifunde schwer. Frova schlägt das 10. Jh.
u. Z. vor.
Insgesamt sind die späten Befunde vor allem aufgrund der sehr oberflächlichen
stratigraphischen Angaben für eine Auswertung kaum geeignet.
Es soll hier nicht unternommen werden, sämtliche in den genannten
Berichten aufgeführten Funde noch einmal zusammenzustellen und auszuwerten.
Dagegen spricht vor allem der nicht dokumentierte stratigraphische Zusammenhang
der Funde, der ihre Auswertung für den hier verfolgten Zweck, die
Bestimmung von Zeitstellung und Funktion des Gebäudes, unergiebig
macht. Desweiteren ist der größte Teil der Funde, wie schon
erwähnt, verloren oder nicht identifizierbar. Die knappe Behandlung
der Funde in den Berichten und die Qualität der den Berichten beigefügten
Abbildungen läßt eine Auswertung ebenfalls kaum zu.
Deshalb soll an dieser Stelle nur ein allgemeiner Überblick über
die Funde gegeben werden. Auf die Fundkataloge der Berichte[89]
und den Katalog der von mir in der ständigen Ausstellung der Archäologischen
Abteilung des Historischen Museums Pleven identifizierten Funde (s. Anhang)
sei verwiesen.
Die im Laufe der Ausgrabungen gefundenen Architekturteile waren offensichtlich
zahlreich, sind aber nur summarisch dokumentiert. Es handelte sich u.a.
um 173 Gesimsfragmente eines Types aus weißem Marmor (Abb. 25), eine
Reihe von Gesimsfragmenten eines anderen Typs, ca. 60 Fragmente von profilierten
Marmorplatten, viele kleinere Fragmente von Kapitellen (Abb. 26) und anderen
Architekturteilen in Marmor und Kalkstein sowie einer Vielzahl von Säulentrommeln
aus Kalkstein mit einem Durchmesser von 0,28 bis 0,59 m. Besonders viele
Säulentrommeln fanden sich in und vor den Räumen D und E.
Hervorzuheben ist ein Säulenpostament aus Kalkstein, daß sich
vor dem Eingang zu Raum D auf dem Niveau der fünften Steinreihe unter
dem Band von drei Ziegelreihen befindet. Es mißt 0,75 x 0,75 x 0,84
m. An einer und einer Drittel Seite ist ein Feinprofil ausgearbeitet, der
Rest steht als Bosse. In die obere Kante sind - wohl sekundär - Buchstaben
eingeritzt, die Frova als PROVINCIA las (Abb. 27). Ein vergleichbarer Postamentrohling
steht im Dorf Gigen vor einem Haus zwischen dem Abzweig der Landstraße
nach Iskâr und dem Dorfplatz (Abb. 28). Er mißt 0,62 x 0,62
x 0,76 m.
Ein weiterer wichtiger Fund ist ein korinthisches Kapitell aus Kalkstein,
daß an der Südmauer innerhalb des Gebäudes gefunden wurde.
Es handelt sich um ein "Vierblattkapitell" ohne helices (Abb.
29). Dieses oder ein formal völlig übereinstimmendes Kapitell[90]
wird von Bob^cev auf Ende des 2. Jh. / Anfang des 3. Jh. u. Z. datiert.[91]
Er bezweifelt allerdings - wohl zu Recht - seine Zugehörigkeit
zum Gebäude.
Neben dem einheimischen Kalkstein, wahrscheinlich aus Gigenska Machala,
der auch für das Schalmauerwerk verwendet wurde, bestanden die Architekturteile
aus folgenden Materialien: weißer, grauer geäderter und gelber
geäderter Marmor aus Griechenland, weißer Marmor aus Thrakien,
rötlicher und grüner von der Insel Many (Griechenland), grüner
Porphyr aus Maronissa (Peloponnes), schwarzer Porphyr aus Ägypten,
Melaphyr (Basalt) aus Predzo und grüner Porphyr von den griechischen
Inseln. Weiter wurde ein weicher Stein aus dem ca. 20 km entfernten Kreta
und Kalkstein aus dem knapp 100 km entfernten Vraca verwendet.
Es wurden sechseckige und achteckige Keramikteile, die auf Mosaike schließen
lassen gefunden.
Außer den Teilen, bei denen ich schon eindeutig anmerkte, daß
ich sie noch am Ort vorfand, befinden sich im und am Gebäude noch
zehn Säulentrommeln, ein stark beschädigtes korinthisches Kapitell
(Abb. 26) und eine Architravplatte mit Zahnschnitt (0,89 x 0,52 x 0,15
m). Die anderen hier erwähnten Teile, darunter alle aus Marmor, waren
mir nicht zugänglich.
Die Ziegelstempel sollen wegen ihrer Bedeutung für die Datierung dort
behandelt werden (s. u.).
Aus der Grabung stammt eine Grabstele mit dreieckigem Giebel und Akroteren
aus Kalkstein mit stark beschädigter Inschrift, die von Frova aufgrund
der Buchstabenform ins 2. Jh. u. Z. datiert wird.[92]
Ein weiteres Stelenfragment mit Weinrankenverzierung ist nach Ausweis der
Buchstabenform ebenfalls den ersten beiden Jahrhunderten zuzurechnen.[93]
Weiter stammt aus der Grabung die Skulptur eines hockenden Löwen,[94]
die nur auf einer Seite bearbeitet ist, sowie ein Relieffragment mit Teilen
eines Löwenfells und eines Gewandes (wahrscheinlich ein Hekulesrelief).
Unter den Marmorfunden sind zu nennen: der Torso einer Dianastatuette,
eine Silenstatuette, vier nackte männliche Torsi sowie das Fragment
einer Sitzstatuette mit dem Körper eines begleitenden Tieres. Unter
den Marmorreliefs befinden sich Fragmente von wahrscheinlich vier Herkulesreliefs,
zwei Mithrasreliefs, eines Reliefs des thrakischen Reiters und eines Venusreliefs.
Hervorzuheben sind je eine Bronzestatuette der Venus, des Eros, des
Apoll und der Viktoria sowie eine bronzene Minervabüste mit Sockel.[95]
Weiter fanden sich der linke Fuß einer Bronzestatue, unten durchbohrt,[96]
(aus dem Brunnen in Raum C) und ein Löwenprotom, wahrscheinlich Wagenschmuck
wie auch diverse Bronzeringe und scheiben. Als verloren müssen
leider zwei Bleireliefs der donauländischen Reiter gelten, die Frova
ins 4. Jh. u. Z. datiert.[97] Weiter wurden eine
Reihe bronzener Geräte (eine Pinzette, eine Waage, Schlüssel),
Fibeln, fünf Bleimedaillons und weitere Kleinobjekte und Werkzeuge
aus Bronze, Blei, Zinn und Eisen gefunden.
Unter den Fibeln sind vier Zwiebelknopffibeln, die nach der Beschreibung
und - mit Abstrichen - nach der Abbildung[98]
ins letzte Viertel des 3. Jh. und in die erste Hälfte des 4. Jh. zu
datieren sind.[99]
Die gefundenen Münzen werden im Abschnitt »Datierung«
behandelt.
Es kamen einige Terrakottaobjekte zutage, unter denen zwei Venustatuetten,
ein groteskes Köpfchen mit afrikanischen Gesichtszügen, zwei
flache Medusenmasken von äußerst grober, ornamentaler Gestaltung[100],
ein Widderkopffragment und der Körper eines Pferdes ohne Beine, dafür
mit Löchern im Rumpf - wohl ein Kinderspielzeug - zu erwähnen
sind.
Von der Gefäßkeramik sagt Frova, daß sie von eine Vielzahl
von Formen und Waren bis in byzantinische Zeit umfasse. Im einzelnen erwähnt
er zwei Fragmente von Arretina und eine Ware, deren Beschreibung auf die
damals noch unerforschte Pavlikeni-Keramik (Anfang 2. Jh. bis Mitte 3.
Jh.)[101] deutet.
Von besonderem Interesse sind die Tonlampen, die nach Frova meist (»in
gran parte«) am Eingang zu den unterirdischen Korridoren gefunden
wurden. Die Tatsache, daß er einmal den anderen Fundort einer Lampe
ausdrücklich erwähnt, läßt vermuten, daß die
anderen einzeln erwähnten von dort stammen. Obwohl auch hier der stratigraphische
Zusammenhang fehlt, können die Lampen, die ja wahrscheinlich beim
Betreten der Gänge Licht spendeten, als Indiz für eine Datierung
des Gebäudes interessant werden.
Von den Lampen, die durch Abbildung und Beschreibung für eine Zuweisung
geeignet sind,[102] gehören drei zum Typ
Kuzmanov XXVI B[103] (Firmalampen mit geöffnetem
Kanal); davon haben zwei den Firmenstempel FLAVI (Hauptproduktion 2. Jh.
und 1. Hälfte d. 3. Jh.) und eine IANVARI (2. Hälfte d. 2. Jh.
und ganzes 3. Jh.). Eine weitere läßt sich - bei aller aufgrund
der Qualität der Abbildung gebotenen Vorsicht - Typ XXI, Variante
3[104] (Lampen mit kurzer gerundeter Schnauze;
1. bis 3. Jh.) zuordnen.
Unter den übrigen Funden bleibt ein flaches Figürchen der
Venus mit Delphin aus Bein, wahrscheinlich ein Nadelköpfchen oder
eine andere Verzierung, zu erwähnen. Aus Glas wurde ein Löwenköpfchen
gefunden, darüber hinaus eine Anzahl von Fragmenten verschiedener
Typen, darunter Opalglas mit Scheibchendekor und Glasfragmnete mit Buchstaben,
die nach Frovas Ansicht von Diatretgläsern stammen könnten. Weiter
erwähnt Frova, daß in großer Zahl Mühlsteine im Gebäude
freigelegt wurden.
Die sicheren Anhaltpunkte für die Datierung des Gebäudes sind
nicht zahlreich. Die Funde eignen sich, wie oben schon ausgeführt
wurde und wie unten noch deutlicher werden wird, kaum. Deshalb benutzte
Frova für seine Datierung vor allem Vergleiche des Mauerwerks. Die
damals noch geringe Zahl erforschter und datierter Bauten aus dem Balkangebiet
führte dazu, daß er zum Vergleich vor allem stadtrömische
Beispiele heranzog. Auf dieser Grundlage kam er zu einer Datierung auf
die Mitte des 3. Jh. u. Z.[105] Der seitdem von
S. Bob^cev unternommene Versuch, eine Chronologie speziell für das
opus mixtum an römischen und frühbyzantinischen Bauwerken
aufzustellen,[106] zeigt bei kritischer Betrachtung
vor allem die Schwierigkeit, eine solche absolute Chronologie zu erarbeiten.
Die Überbewertung der Zahl der Ziegelreihen in den Bändern als
wichtigstes Datierungsmerkmal ist so nicht akzeptabel und sowohl durch
neue sicher datierte Funde[107] als auch durch
die Berichtigung der Datierung bereits in der Untersuchung berücksichtigter
Bauten[108] in Frage gestellt.
Als Indiz für die Datierung mögen jedoch, bei aller gebotener
Vorsicht, Vergleiche mit dem Mauerwerk von Gebäuden insbesondere aus
Oescus selbst herangezogen werden. Eine sehr ähnliche Gestaltung des
opus mixtum, namentlich in der Bearbeitung der Quader, zeigt das
Fundament des Fortunatempels (Abb.9). Auch das Mauerwerk des Tempels des
Jupiter Optimus Maximus ist vergleichbar, obwohl die Quader größer
sind (Abb. 30). Das "Südostbad" hingegen hat im Vergleich
dazu sehr unregelmäßig gearbeitete Quader (Abb. 31). Ohne daraus
an dieser Stelle weitergehende Schlüsse ziehen zu wollen, halten wir
fest, daß die Ausführung des Mauerwerks des Gebäudes der
an den Gebäuden des 2. Jh. näher steht als der am "Südostbad".
Als wichtiger Hinweis für die Datierung eines Gebäudes dienen
die gefundenen Ziegelstempel. Bei den Ausgrabungen wurden folgende Stempel
gefunden:[109] LEG[io] V MA[cedonica] sechsmal;
LEG[io]V MAC[edonica] zweimal; LEG[io]V M[a]C[edonica] dreimal; L[egio]VM[acedonica]OES[ci/co]
fünfzigmal; [ex]PR[aedis/aefectus[110]]
L[egionis]VM[acedonicae]OES[ci/co] 46mal; [ex]PR[aedis/aefectus110]L[egionis]V
M[acedonicae] VAL [erianae][111] einmal; LEG[io]IITA[lica]
18mal; LEG.[io]XIC[laudia] P[ia]F[idelis] fünfmal, sowie dreizehn
ungedeutete Stempel, wahrscheinlich Fabrikmarken.
Die Tatsache, daß die meisten gefundenen Stempel sich auf die legio
V Macedonica beziehen, bereitete Frova einige Schwierigkeiten, da diese
erst seit 271 u. Z. wieder in Oescus stationiert war. Um seine vorgeschlagene
Datierung halten zu können, vermutete er, daß sich während
der Abwesenheit der Hauptkräfte der Legion eine vexillatio
weiterhin in Oescus aufhielt. Diese Annahme wird heute zu Recht allgemein
abgelehnt. Z. Morfova, die auch die später in Oescus gefundenen Ziegelstempel
untersuchte, wies zudem darauf hin, daß der Stempel LVMOES u. ä.
erst seit der Rückkehr der Legion nach Oescus in Gebrauch war[112].
Meines Erachtens muß hier der Umstand berücksichtigt werden,
daß keiner der gefundenen gestempelten Ziegel sich im Mauerwerksverband
befand. Ihr Wert für die Datierung des Gebäudes ist daher, besonders
in Verbindung mit der noch zu treffenden Bewertung der Funde im Gebäude
insgesamt (s. Abschnitt »Zur Frage der Eingänge und der Beheizbarkeit«),
zu relativieren. Zwar muß die große Zahl von nach 271 u. Z.
zu datierenden Ziegelstempeln bei den Überlegungen zur Datierung in
Betracht gezogen werden, letztlich schließen sie aber eine frühere
Datierung der ursprünglichen Anlage nicht zwingend aus, da sie sämtlich
von nachträglichen Einbauten stammen können.
Die Datierung des Gebäudes bliebe unsicher, könnten wir nicht
auf die Münzen zurückgreifen. Auf den ersten Blick ist auch hier
die Dokumentationslage durchaus nicht so, wie es wünschenswert wäre.
Die Bearbeitung der ca. 1000 gefundenen Münzen wurde durch die Kriegsereignisse
verzögert. Sie befinden sich zwar noch im Archäologischen Institut
und Museum der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften,[113]
sind aber noch immer nicht restauriert und bearbeitet. Auch wenn der stratigraphische
Zusammenhang verloren ist, wäre doch ein Münzspiegel aufschlußreich.
So muß die summarische Behandlung Frovas genügen, der mitteilt,
daß es sich um Münzen der Kaiser Gordianus III., Valerianus,
Gallienus, Claudius Gothicus, Aurelianus, Probus, Carinus, Numerianus,
Diocletianus, Maximianus, Licinius, Constantius und Constantinus handelt
und die Prägeorte Hadrianopolis, Marcianopolis und Nicopolis vorkommen.[114]
Die Münzen wurden folglich zwischen 238 und 337 u. Z. geprägt.
In höheren Schichten fanden sich einige byzantinische Münzen.
Von besonderer Bedeutung ist ein Hortfund von 30 Münzen, »quasi
tutte« Prägungen Aurelians und Probus', der in einer der Vertikalröhre
gefunden wurde.[115] Bei einem solch engen Zeitspektrum
darf davon ausgegangen werden, daß das Datum der Niederlegung innerhalb
oder nur wenig nach der Regierungszeit des Probus (276-282) liegt. Die
Bewertung dieses Fundes hängt nun von der Interpretation der Vertikalröhren
ab, nämlich von der Frage, ob eine solche Röhre in voller Funktion
als Versteck geeignet war. Unabhängig von der Antwort darauf (s. Abschnitt
»Die unterirdischen Korridore und die Tonröhren«) darf
davon ausgegangen werden, daß durch eine Röhre etwas geleitet
werden soll und daß eine verstopfte Röhre das nicht mehr leistet.
Wir dürfen also mit einiger Wahrscheinlichkeit als terminus ante quem
für die vollständige oder teilweise Aufgabe des Gebäudes
die Jahre um 282 u. Z. annehmen.
Schwieriger ist die Frage nach der Entstehungszeit des Gebäudes zu
lösen. Als frühestmögliches Niederlegungsdatum für
die früheste Münze kommt das erste Regierungsjahr Gordianus'
III. (238) in Frage. Da wir aber nicht wissen, ob die gefundene Zahl und
der Wert der Münzen sie signifikant macht und die Umlaufzeit der Münzen
einzuberechnen ist (auch wenn diese im 3. Jh. nicht allzu lang gewesen
sein dürfte), ist bei der Annahme dieses Jahres als terminus ante
quem Zurückhaltung geboten. Beziehen wir das zweitwichtigste Indiz,
die "Datierungsschnittmenge" der Tonlampen (s. o.) in unsere
Überlegungen ein, so können wir, bei aller Vorsicht, die erste
Hälfte des 3. Jh. als Entstehungszeit für das Gebäude annehmen.
Unterstützt wird das durch die Beobachtungen des Mauerwerks in Oescus
(s. o.).
Dieser Datierungsvorschlag birgt zwei Probleme. Zum einen die zwingend
abweichende Datierung einiger Funde, die aber in Anbetracht der ungesicherten
stratigraphischen Zusammenhänge und der offensichtlichen Zweitnutzung
der Gebäude nicht allzu schwer wiegt. Andererseits, und das wird,
wie schon Frova erkannte, umso problematischer, je näher wir mit dem
Baubeginn an die Jahrhundertmitte rücken, ist die Anlage eines so
großen Gebäudes außerhalb der Stadtmauern in einer Zeit
zunehmender Unsicherheit im Donaugebiet verwunderlich.
Um in diese Fragen Licht zu bringen, ist zunächst ein Blick auf die
Interpretation des Befundes notwendig.