2. Das Gebäude extra muros

2.1 Lage

Das Gebäude extra muros, nach seinem Ausgräber auch bisweilen "Frovabau" genannt, befindet sich am westlichen Ende der Südflanke von Oescus I, unmittelbar am Graben des Befestigungssystems.

2.2 Befund

2.2.1 Erhaltung, Dokumentation

Der Bau ist in seinem größten Teil bis zu einer Höhe von etwa 0,80 bis 1,20 m über dem von Frova angenommenen Fußbodenniveau (vgl. Abschnitt »Mauerwerk«) erhalten. Abgesehen von den unten im einzelnen zu nennenden Beschädigungen bilden die bis auf eben dieses Niveau zerstörte Südostecke des Gebäudes und das Nordostende der kleinen Beiräume nördlich von Raum C die wichtigsten Ausnahmen.
Das Gebäude wurde während dreier Kampagnen der Italienischen Archäologischen Mission in Bulgarien 1941-1943 von italienischen und bulgarischen Archäologinnen und Archäologen ausgegraben. Über die Ergebnisse der beiden ersten Kampagnen erschienen Vorberichte in italienischer Sprache[71], die in einem weiteren bulgarischen Bericht[72] zusammengefaßt sind.
Da bei den Luftangriffen auf Sofia die gesamte Grabungsdokumentation einschließlich der Fotografien verloren gegangen ist, stellen diese Berichte und die in ihnen veröffentlichten Pläne und Fotografien die einzige Quelle für den Grabungsbefund außer dem Gebäude selbst dar.
In den 80er Jahren wurde das Gebäude gesichert und teilweise restauriert. Dabei wurden weitgehend freiliegendes Emplekton mit neuen Schalmauern verblendet, die Mauern auf eine nahezu einheitliche Höhe ergänzt und die Mauerkrone, wo notwendig, mit Beton gesichert. Leider wurde im Zuge der insgesamt verhältnismäßig behutsamen Maßnahmen an einer Stelle auch eine Öffnung verschlossen, in der laut Grabungsbericht Reste von Ziegelwangen gefunden wurden und die somit als antik zu gelten hatte.

2.2.2 Der architektonische Befund

Plan

Das Gebäude erstreckt sich über eine Fläche von 52,50 x 64,00 m (Abb. 14). Seine Orientierung läßt sich weder zur Bebauung intra muros noch zur Stadtmauer selbst in Beziehung setzen: Die Achse des Gebäudes weicht von der Nord Südrichtung um ca. 16° nach Nordnordwest ab, d. h. um ca. 40° von der Orientierung der cardines.
Der Plan gliedert sich in acht große, tief fundamentierte und drei kleinere und flach fundamentierte Räume, die im folgenden einzeln beschrieben werden. Es lassen sich zwei Raumkomplexe unterscheiden: Eine westliche,[73] nahezu symmetrische Raumreihe aus den identischen rechteckigen Räumen D und E, den angrenzenden Apsidialräumen C und F sowie den an C sich anschließenden drei kleinen Räumen. Der zweite Komplex, der an der Nordseite hinter den ersten zurücktritt, besteht aus dem großen rechteckigen Raum G, der sich östlich an die Räume D-F legt, dem kleineren Raum B und dem Apsidialraum A, die sich an Raum G nördlich anschließen, und dem den Komplex nach Westen abschließenden langgestreckten Raum H. Zwischen den Teilen des Gebäudes wurde bei Autopsie keine Spur einer Baufuge gefunden, d. h. das Gebäude ist in einem Zuge entstanden.

Mauerwerk
Die einzelnen Räume[79]
Raum A

Raum A ist ein Apsidialraum an der N Seite des Gebäudes. Er mißt 20,40 x 11,40 m. Die Apsis mit dem Radius von 4,70 m schließt sich bis auf eine Öffnung von 9,20 m, ihr Zentrum ist um 1,05 m von ihrem Ansatz an den Seitenmauern nach außen verschoben.
Die Mauer der Apsis ist 1,55 m stark; die Westmauer, die zweitstärkste im gesamten Gebäude, mißt 2,90 m. Sie fing den Außenschub der Gewölbe über B und A auf.
Am Westende der Apsis durchquert eine Tonröhre (Durchmesser 0,15 m) über der fünften Steinreihe oberhalb des erwähnten Ziegelbandes horizontal die Mauer in Richtung auf die Außenecke der Apsis. (Abb. 18) Das Mauerwerk ist nach Ausweis der alten Aufnahmen an allen Stellen des Raumes oberhalb des Bandes von drei Ziegelreihen erhalten, d. h. es kann auf diesem Niveau kein Zugang zu diesem Raum existiert haben. Am Westende der Apsis schließt sich eine schlecht gearbeitete Mauer rechtwinklig an die Wand des Raumes an. Wie von allen späteren Mauern ist von ihr heute keine Spur mehr zu sehen.
Im Raum fanden sich viele und sehr große verstürzte Konglomeratblöcke.

Raum B

Der kleinste der acht Haupträume mißt 11,80 x 8,45 m. Er hatte in der Mitte der Nordwand eine 1,20 m breite Öffnung, deren Ziegelwangen noch gut erhalten sind. Die Nordwand ist 1,35 m stark. Im Raum kamen besonders viele Bruchsücke des aufgehenden Mauerwerks zutage, darunter auch Gewölbe- und Bogenfragmente. Sie lagen auf einem später in der Längsachse des Raumes eingezogenen Mäuerchen von grober Arbeit.

Raum C

Raum C mit einer Größe von 23,40  x 12,50 m ist der im Grundriß am reichsten gegliederte Raum. Die Nordwand besteht aus zwei mächtigen Pfeilern von 3,80 x 4,20 m, zwischen denen sich eine große Nische von 6,00 x 2,50 m öffnet, sowie zwei Durchgängen in die nördlichen Nebenräume mit Breiten von 3,70 m und 2,80 m. Durchgänge und Nische befinden sich auf Höhe des bewußten Ziegelreihenbandes. Die Nordwand ist die am höchsten erhaltene Stelle des Gebäudes. In den 20er Jahren erhob sich der östliche Pfeiler noch über die das Gebäude bedeckende Erde, wurden dann aber gesprengt.
Die Apsis mit einem Radius von 5,30 m zieht sich im Norden unter dem Durchgangsniveau bis zum Pfeiler, entsprechend der Südecke. Symmetrisch zum Apsisende im Westen und zum Durchgang im Norden ist auch das Ostende der Südmauer mit einer Ziegelverstärkung verbreitert. Die Ostwand hat in Höhe des Bandes von drei Ziegelreihen ein durchschnittlich 0,35 m breites Bankett, das möglicherweise dem Ausgleich der Mauerbreite in Zusammenhang mit den noch zu behandelnden Gängen im Fundament dient. Dafür spricht auch der Vergleich der Mauerbreite: Die Südmauer ist 1,95 stark, die Ostmauer oberhalb des Banketts 1,50 m, d h. sie erreicht im Fundament mit dem Bankett zusammen etwa die gleiche Stärke. Die Mauer der Apsis mißt 1,43 m. In der Ostmauer befindet sich innerhalb des östlichen Durchgangs zu den kleinen nordwestlichen Räumen eine ca. 0,80 m breite Öffnung, die bis unter die Höhe des Bandes von drei Ziegelreihen ausgebrochen ist und von der nicht eindeutig entschieden werden kann, ob sie zum antiken Baubestand gehört. Spuren von Ziegelwangen sind nicht vorhanden.
In diesem Raum stieß man auf einige offensichtlich spätere Strukturen: Zwei flache Mäuerchen aus Steinen und Ziegeln des Gebäudes mit einer Länge von 3,80 m und 2,60 m schlossen sich auf der Höhe des Bandes von drei Ziegelreihen an die Nord- und die Ostmauer an. Ein Brunnen, dessen Öffnung von 0,87 x 0,65 m auf Höhe der zweiten Steinreihe unter dem Band von drei Ziegelreihen lag, befand sich südlich des Zentrums und schräg zum Raum. In ihm kam unter anderem der Fuß einer Bronzestatue zum Vorschein.[80]

Die kleinen nordwestlichen Räume

Nördlich des Raumes C schließt sich eine Reihe von drei kleineren Räumen mit einer Größe von jeweils 4,30 x 6,00É6,50 m an. Außer den beiden schon erwähnten Durchgängen von Raum C her gibt es am N Ende der W Seite einen Eingang von 1,28 m Breite. Die Schwellen bzw. die Durchgangshöhe aller drei Zugänge bildet das Band von drei Ziegelreihen. Die Mauern dieser Räume sind nur bis wenig unter dieses Niveau fundamentiert. Die Nordmauer hat eine Stärke von 1,35 m, die Westmauer eine von 1,43 m. Die Nordostecke der Raumreihe ist bis auf die Fundamentierung zerstört. (Abb. 19)

Die Räume D und E

Die identischen Räume D und E (Abb.20) haben eine Größe von je 12 x 18 m und jeweils eine zentrale Öffnung von ca. 2,60 m Breite an der W-Seite. Diese Öffnungen sind stark ausgebrochen, aber es gibt noch Spuren von Ziegelwangen, so daß sie als antik zu gelten haben. Die Räume sind durch fünf schmale Öffnungen von 0,60 bis 0,80 m Breite miteinander verbunden, die über dem Band von drei Ziegelreihen beginnen und höher als die Erhaltungshöhe der Mauer, d. h. höher als 1 m waren. Die in Ost-West-Richtung verlaufenden Mauern haben jeweils eine Stärke 1,95 m, die Ostmauer mißt 1,82 m und die Westmauer 1,45 m.
Auch in Raum E fanden sich flache Steinsetzungen wenig unterhalb der Höhe des Bandes von drei Ziegelreihen. Sie enthielten wiederum Spolien, so daß sie für später als der ursprüngliche Bau angesehen werden müssen.
An der Außenseite vor dem Eingang in D fand sich unter dem Band von drei Ziegelreihen  an den Schalmauerblöcken Spuren einer groben, unregelmäßigen Zementschicht.

Raum F

Der südliche Apsidialraum F hat eine Größe von 12,00 x 24,60 m, der Radius der glatt einbindenden Apsis beträgt 6 m. Es fanden sich jeweils an den Apsidenenden Öffnungen, die beide sehr beschädigt waren und eine Breite von 2,70 im Norden und 2,80 im Süden hatten. Die nördliche Öffnung befand sich in der Mauer der Apsis. An ihr sah Frova noch Reste einer Ziegelwange. Sie wurden bei der Restaurierung offensichtlich nicht erkannt und die Mauer wurde durchgehend restauriert. Die Öffnung ging nicht durch die Nordmauer, insbesondere wurde der Abschluß des Korridors in ihr nicht beeinflußt. Die südliche Öffnung befindet sich am Ende der Südwand. Reste von Ziegelwangen werden bei ihr nicht erwähnt.
Die Nordwand zeigte zum Raum E hin einen Durchbruch, der auch den Scheitel des Gewölbes der Gänge in der Mauer abtrug und als regelmäßiger, schräger Schnitt von 4,25 bis 5,25 m Länge bis unter die Höhe des Bandes von drei Ziegelreihen geführt wurde. Da sich keine Spuren einer Ziegelverkleidung fanden, darf davon ausgegangen werden, daß es sich hier um einen späteren Durchbruch handelt.
Die Südwand schließt sich an die Apsis außen mit einer auffälligen Ecke an, die daher rührt, daß sie, da sie den Schub einer Gewölbereihe (C-F) aufzufangen hat, um 1,45 m stärker als die Apsismauer (1, 47 m) ist; das Mauerwerk ist auch an dieser Stelle ohne jede Baufuge.
Eine besser gebaute späte Mauer schloß sich mit einer Länge von 8,40 m ungefähr in der Längsachse des Raumes an die Ostmauer an. Sie befand sich auf der Höhe der zweiten Steinreihe unter dem Band von drei Ziegelreihen, war bis zu einem Meter Höhe erhalten und 0,90 m breit.

Raum G

Der rechteckige Raum (Abb. 21) mit einer Größe von 23,05 x 41,00 m wird durch sechs 2,25 bis 2,40 m starke und 5,72 m lange Zungenmauern in acht etwa gleichgroße Teilräume gegliedert, die aber weder exakt übereinstimmen noch symmetrisch sind. Eine stark beschädigte Öffnung von 1,20 m Breite mit den Resten von Ziegelwangen fand sich in der Mitte der Südwand. Die Südmauer hat eine Stärke von 1, 65 m, die Ostmauer ist 1,95 m dick.
Im Westteil des Raumes fand sich der größte Teil der verstürzten Mauerstücke des Gebäudes, darunter Stücke mit bis zu neun Ziegelreihen. Sie waren tief in das Gelände eingeschlagen, was bedeutet, daß sie aus großer Höhe gestürzt sind. In der Raummitte lag eine Anhäufung großer Porosblöcke.
Im südöstlichen Teilraum stieß man knapp unter der Höhe des Bandes von drei Ziegelreihen auf einen Fußboden aus offensichtlich wiederverwendeten Ziegeln und weißen Marmorplatten. Auf dem gleichen Niveau kam neben einigen Architekturteilen auch eine Grabstele mit Inschrift zutage. Der zweite Teilraum von Süden auf der Ostseite des Raumes war durch ein spätes Mäuerchen mit zentraler Öffnung abgeteilt.

Raum H

Der mit 47,00 x 16,25 m größte Raum des Gebäudes hat die wenigsten Besonderheiten aufzuweisen. Zwei Öffnungen mit Ziegelresten in der Ostwand sind beide ca. 1,55 m breit und asymmetrisch angeordnet. Die Südmauer ist 1,75 m, die Nordmauer 1,80 m und die Ostmauer 2,10 m stark. Die Südostecke war bis auf das Niveau des Bandes von drei Ziegelreihen hinab auf 3,95 m nach Süden und 6,20 m nach Norden zerstört.
Neben anderen späten Mäuerchen führte eine kleine Treppe von drei Stufen, in der auch eine Säulentrommel verbaut war, zur Südmauer.

Die unterirdischen Korridore[81]

Die auffälligste konstruktive Besonderheit des Gebäudes ist die Tatsache, daß in den Fundamenten aller Innenmauern des Gebäudes einschließlich der Mauerzungen in G überwölbte Gänge von ca. 0,50 m Breite und 1,50 m Höhe verlaufen (Abb. 22). Von diesen gehen, außer in den Mauern zwischen Raum G und den Räumen A und B sowie zwischen Raum G und den Räumen E und F, im Abstand von ca. 3 m, in den Mauerzungen 1,50 m, Tonröhren mit einem Durchmesser von 0,30 m innerhalb der Mauern senkrecht nach oben (Abb. 23).
Tonröhren mit einem Durchmesser 0,15 m verlaufen schräg durch die Mauer und münden im Raum oberhalb des Ziegelbandes, das dem oberen Abschluß des Gewölbes entspricht. Frova schreibt von sieben Schrägröhren, in allen Räumen außer G und H mindestens eine, in Raum B eine weitere.[82] Ich konnte trotz intensiver Suche sowohl in den Räumen als auch in den Korridoren die Schrägröhren für die Räume C und D nicht identifizieren.[83]
Die Einmündungen der gefundenen Schrägröhren in den Räumen wurden wie folgt lokalisert:

  •   In Raum A ist die Einmündung im Raum durch die Restaurierung verdeckt; die Röhre geht im Korridor der Ostwand ca. 0,95 m vor dem Abzweig des Ganges der Südwand ab.
  •   In Raum B münden die beiden Röhren in der Südwand jeweils ca. 0,50 m von den Enden entfernt ein; der Austritt muß sich oberhalb der vierten Steinreihe über dem Band von drei Ziegelreihen befunden haben.
  •   In Raum E mündet die Röhre in der Südwand 0,30 m von deren Westende; ihre Mündung lag oberhalb der dritten Steinreihe über dem Band von drei Ziegelreihen.
  •   In Raum F mündet die Röhre in der Ostwand ca. 6,10 von deren Nordende entfernt; die vermutliche Höhe der Einmündung ist aufgrund des Erhaltungszustandes nicht festzustellen.

  •     Der Eingang in die Korridore befand sich westlich von Raum A. Es sind heute noch sechs Treppenstufen erhalten, über die man von einer Plattform auf dem Niveau des Ziegelbandes in die Korridore hinabsteigt, wobei Frova nicht ausschließt, daß die Treppe ursprünglich länger und die Eingangsplattform höher war (Abb. 24).[84]
    Der Fußboden besteht aus Ziegelplatten, die an einigen Stellen entfernt sind.
    Der Ausgräber deutet Mörtelspuren an den Wänden der Gänge als Reste eines Verputzes. Seine Zusammensetzung ist eine andere als die des in den Schalmauern der Gänge verwendeten Mörtels: Dieser sei aus Flußsand und Kalk unter Verwendung von wenig und feinen Ziegelpartikeln gemischt und entspreche den Anweisungen Vitruvs (Sand : Kalk = 3 : 1). Der Verputz der Gänge hingegen sei dunkelrot durch Ziegelsplit und schwärzliche Mineralien (wie Vitruv für wasserfesten Mörtel empfiehlt) im Verhältnis Sand/Ziegelsplit : Kalk = 3: 1.
    Der festgestellte höhere Anteil an Eisen-, Aluminium- und Siliziumoxid gehe auf den Ziegelsplit zurück. Diese Mineralien bildeten mit dem Kohlendioxid der Luft einen wasserfesten Putz.[85] An anderer Stelle[86] meint der Ausgräber allerdings ausdrücklich, es handle sich nicht um echten wasserfesten Putz wie in Wasserleitungen.
    Es ist aus dem heutigen Zustand schwer zu entscheiden, ob es sich bei dem in den Gängen sichtbaren Mörtel wirklich um Reste eines Verputzes oder um bei der Arbeit verlaufene Masse handelt. Jedenfalls habe ich derartigen rötlichen Mörtel auch am westlichen Pfeiler von Raum C gefunden.[87]
    Es wurden außer den beschriebenen keine Öffnungen der Korridore gefunden. Das Ende des Korridors östlich von Raum A ist zerstört. Außerdem ist dieser Korridor etwas breiter (60É70 cm) und die Röhren haben hier unregelmäßigen Abstand (2 m, 5 m, 3 m). Am Ende des Korridors findet sich im oberen Teil der Mauer ein Eckblock, der die breitere Mauer neben dem Apsisansatz abschloß. Er befindet sich oberhalb der Höhe des Bandes von drei Ziegelreihen und damit über dem Gewölbescheitel des Korridors. Der Boden vor dem Gang wurde aufmerksam untersucht, jedoch scheint es sich um gewachsenen Boden gehandelt zu haben.

    Außerhalb des Gebäudes

    Das Gebäude wurde außen bis durchschnittlich 4 m von den Mauern freigelegt, in der Regel bis zu einer Tiefe von fünf Steinreihen unter dem Ziegelband. Es fanden sich an keiner Stelle Hinweise auf Anbauten. An der Südostecke kam sich in Höhe der vierten bis fünften Steinreihe unter dem Band von drei Ziegelreihen  eine Pflasterung zum Vorschein, die das Gebäude von Südosten erreichte und mit unterschiedlicher Breite und unterschiedlichem Niveau bis zur Öffnung in der Südmauer von Raum G begleitete. Sie wurde von Frova als Straße gedeutet. Ebenso zeigte sich an der Nordostecke eine schlecht erhaltene Straße von primitiver Bauart mit Orientierung Nordwest-Südost.
    Ca. 7 m nordöstlich des Gebäudes erschien im Graben der Stadtbefestigung eine Mauerecke, die aus einer Mauer parallel zum Graben und einer rechtwinklig dazu verlaufenden bestand. Ihre Spitze war auf das Gebäude hin gerichtet. Die auf Sicht gearbeiteten Seiten befinden sich auf der Inneseite des Winkels, also vom Gebäude abgewandt. Die Mauerecke ist offensichtlich später als das Gebäude entstanden und hat mehrere Bauphasen.[88] Ihr Verhältnis zum Gebäude und - vielleicht noch interssanter - zum Graben wird nur durch weitere Ausgrabungen zu klären sein.

    2.2.3 Späte Mauern und Bestattungen

    Die oben beschriebenen einfach gearbeiteten späten Mauern, die meist nur eine Steinreihe ausmachen, dienten wohl als Fundamentierung für Lehmziegelmauern. Die Mauern verwenden oft Säulentrommeln oder andere Spolien. Die späteren Einbauten lassen zumindest aufgrund der Berichte - es finden sich heute keine Spuren mehr von ihnen an der Oberfläche - kein klares Bild erkennen; es handelt wohl um ein relativ planloses Abtrennen von Raumteilen in dem noch zumindest teilweise überdachten Großbau. Besonders deutlich wird das bei der Abteilung des Raumes zwischen zwei Mauerzungen in G.
    In Raum C wurde 2,00 m unter dem Ausgangsniveau und 1,33 m unter der erhaltenen Mauerhöhe ein Ziegelkastengrab mit einem Skelett ohne Ausstattung entdeckt. Ein ebensolches, allerdings leeres Grab kam in Raum F 1,50 m unter dem Ausgangsniveau zum Vorschein, auf dem gleichen Niveau außerhalb der W-Mauer ein kleineres. Nördlich von Apsis A wurde ein Skelett auf der Höhe der vierten Steinreihe unter dem Ziegelband, also sehr tief, gefunden.
    In einer Höhe von 0,70 m unter dem Ausgangsniveau, d. h. oberhalb der Erhaltungshöhe der Mauern, lagen 37 Bestattungen in blanker Erde ohne oder nur mit ärmlichen Beigaben. Die Datierung fällt aufgrund der unspezifischen Beifunde schwer. Frova  schlägt das 10. Jh. u. Z. vor.
    Insgesamt sind die späten Befunde vor allem aufgrund der sehr oberflächlichen stratigraphischen Angaben für eine Auswertung kaum geeignet.
     

    2.3 Funde

    Es soll hier nicht unternommen werden, sämtliche in den genannten Berichten aufgeführten Funde noch einmal zusammenzustellen und auszuwerten. Dagegen spricht vor allem der nicht dokumentierte stratigraphische Zusammenhang der Funde, der ihre Auswertung für den hier verfolgten Zweck, die Bestimmung von Zeitstellung und Funktion des Gebäudes, unergiebig macht. Desweiteren ist der größte Teil der Funde, wie schon erwähnt, verloren oder nicht identifizierbar. Die knappe Behandlung der Funde in den Berichten und die Qualität der den Berichten beigefügten Abbildungen läßt eine Auswertung ebenfalls kaum zu.
    Deshalb soll an dieser Stelle nur ein allgemeiner Überblick über die Funde gegeben werden. Auf die Fundkataloge der Berichte[89] und den Katalog der von mir in der ständigen Ausstellung der Archäologischen Abteilung des Historischen Museums Pleven identifizierten Funde (s. Anhang) sei verwiesen.

    2.3.1 Architekturteile

    Die im Laufe der Ausgrabungen gefundenen Architekturteile waren offensichtlich zahlreich, sind aber nur summarisch dokumentiert. Es handelte sich u.a. um 173 Gesimsfragmente eines Types aus weißem Marmor (Abb. 25), eine Reihe von Gesimsfragmenten eines anderen Typs, ca. 60 Fragmente von profilierten Marmorplatten, viele kleinere Fragmente von Kapitellen (Abb. 26) und anderen Architekturteilen in Marmor und Kalkstein sowie einer Vielzahl von Säulentrommeln aus Kalkstein mit einem Durchmesser von 0,28 bis 0,59 m. Besonders viele Säulentrommeln fanden sich in und vor den Räumen D und E.
    Hervorzuheben ist ein Säulenpostament aus Kalkstein, daß sich vor dem Eingang zu Raum D auf dem Niveau der fünften Steinreihe unter dem Band von drei Ziegelreihen befindet. Es mißt 0,75 x 0,75 x 0,84 m. An einer und einer Drittel Seite ist ein Feinprofil ausgearbeitet, der Rest steht als Bosse. In die obere Kante sind - wohl sekundär - Buchstaben eingeritzt, die Frova als PROVINCIA las (Abb. 27). Ein vergleichbarer Postamentrohling steht im Dorf Gigen vor einem Haus zwischen dem Abzweig der Landstraße nach Iskâr und dem Dorfplatz (Abb. 28). Er mißt 0,62 x 0,62 x 0,76 m.
    Ein weiterer wichtiger Fund ist ein korinthisches Kapitell aus Kalkstein, daß an der Südmauer innerhalb des Gebäudes gefunden wurde. Es handelt sich um ein "Vierblattkapitell" ohne helices (Abb. 29). Dieses oder ein formal völlig übereinstimmendes Kapitell[90] wird von Bob^cev auf Ende des 2. Jh. / Anfang des 3. Jh. u. Z. datiert.[91] Er bezweifelt allerdings  - wohl zu Recht -  seine Zugehörigkeit zum Gebäude.
    Neben dem einheimischen Kalkstein, wahrscheinlich aus Gigenska Machala, der auch für das Schalmauerwerk verwendet wurde, bestanden die Architekturteile aus folgenden Materialien: weißer, grauer geäderter und gelber geäderter Marmor aus Griechenland, weißer Marmor aus Thrakien, rötlicher und grüner von der Insel Many (Griechenland), grüner Porphyr aus Maronissa (Peloponnes), schwarzer Porphyr aus Ägypten, Melaphyr (Basalt) aus Predzo und grüner Porphyr von den griechischen Inseln. Weiter wurde ein weicher Stein aus dem ca. 20 km entfernten Kreta und Kalkstein aus dem knapp 100 km entfernten Vraca verwendet.
    Es wurden sechseckige und achteckige Keramikteile, die auf Mosaike schließen lassen gefunden.
    Außer den Teilen, bei denen ich schon eindeutig anmerkte, daß ich sie noch am Ort vorfand, befinden sich im und am Gebäude noch zehn Säulentrommeln, ein stark beschädigtes korinthisches Kapitell (Abb. 26) und eine Architravplatte mit Zahnschnitt (0,89 x 0,52 x 0,15 m). Die anderen hier erwähnten Teile, darunter alle aus Marmor, waren mir nicht zugänglich.
    Die Ziegelstempel sollen wegen ihrer Bedeutung für die Datierung dort behandelt werden (s. u.).

    2.3.2 Steinobjekte

    Aus der Grabung stammt eine Grabstele mit dreieckigem Giebel und Akroteren aus Kalkstein mit stark beschädigter Inschrift, die von Frova aufgrund der Buchstabenform ins 2. Jh. u. Z. datiert wird.[92] Ein weiteres Stelenfragment mit Weinrankenverzierung ist nach Ausweis der Buchstabenform ebenfalls den ersten beiden Jahrhunderten zuzurechnen.[93]
    Weiter stammt aus der Grabung die Skulptur eines hockenden Löwen,[94] die nur auf einer Seite bearbeitet ist, sowie ein Relieffragment mit Teilen eines Löwenfells und eines Gewandes (wahrscheinlich ein Hekulesrelief).
    Unter den Marmorfunden sind zu nennen: der Torso einer Dianastatuette, eine Silenstatuette, vier nackte männliche Torsi sowie das Fragment einer Sitzstatuette mit dem Körper eines begleitenden Tieres. Unter den Marmorreliefs befinden sich Fragmente von wahrscheinlich vier Herkulesreliefs, zwei Mithrasreliefs, eines Reliefs des thrakischen Reiters und eines Venusreliefs.

    2.3.3 Metallobjekte

    Hervorzuheben sind je eine Bronzestatuette der Venus, des Eros, des Apoll und der Viktoria sowie eine bronzene Minervabüste mit Sockel.[95] Weiter fanden sich der linke Fuß einer Bronzestatue, unten durchbohrt,[96] (aus dem Brunnen in Raum C) und ein Löwenprotom, wahrscheinlich Wagenschmuck wie auch diverse Bronzeringe und  scheiben. Als verloren müssen leider zwei Bleireliefs der donauländischen Reiter gelten, die Frova ins 4. Jh. u. Z. datiert.[97] Weiter wurden eine Reihe bronzener Geräte (eine Pinzette, eine Waage, Schlüssel), Fibeln, fünf Bleimedaillons und weitere Kleinobjekte und Werkzeuge aus Bronze, Blei, Zinn und Eisen gefunden.
    Unter den Fibeln sind vier Zwiebelknopffibeln, die nach der Beschreibung und -  mit Abstrichen -  nach der Abbildung[98] ins letzte Viertel des 3. Jh. und in die erste Hälfte des 4. Jh. zu datieren sind.[99]
    Die gefundenen Münzen werden im Abschnitt »Datierung« behandelt.

    2.3.4 Tonobjekte, Keramik

    Es kamen einige Terrakottaobjekte zutage, unter denen zwei Venustatuetten, ein groteskes Köpfchen mit afrikanischen Gesichtszügen, zwei flache Medusenmasken von äußerst grober, ornamentaler Gestaltung[100], ein Widderkopffragment und der Körper eines Pferdes ohne Beine, dafür mit Löchern im Rumpf  - wohl ein Kinderspielzeug -  zu erwähnen sind.
    Von der Gefäßkeramik sagt Frova, daß sie von eine Vielzahl von Formen und Waren bis in byzantinische Zeit umfasse. Im einzelnen erwähnt er zwei Fragmente von Arretina und eine Ware, deren Beschreibung auf die damals noch unerforschte Pavlikeni-Keramik (Anfang 2. Jh. bis Mitte 3. Jh.)[101] deutet.
    Von besonderem Interesse sind die Tonlampen, die nach Frova meist (»in gran parte«) am Eingang zu den unterirdischen Korridoren gefunden wurden. Die Tatsache, daß er einmal den anderen Fundort einer Lampe ausdrücklich erwähnt, läßt vermuten, daß die anderen einzeln erwähnten von dort stammen. Obwohl auch hier der stratigraphische Zusammenhang fehlt, können die Lampen, die ja wahrscheinlich beim Betreten der Gänge Licht spendeten, als Indiz für eine Datierung des Gebäudes interessant werden.
    Von den Lampen, die durch Abbildung und Beschreibung für eine Zuweisung geeignet sind,[102] gehören drei zum Typ Kuzmanov XXVI B[103] (Firmalampen mit geöffnetem Kanal); davon haben zwei den Firmenstempel FLAVI (Hauptproduktion 2. Jh. und 1. Hälfte d. 3. Jh.) und eine IANVARI (2. Hälfte d. 2. Jh. und ganzes 3. Jh.). Eine weitere läßt sich - bei aller aufgrund der Qualität der Abbildung gebotenen Vorsicht - Typ XXI, Variante 3[104] (Lampen mit kurzer gerundeter Schnauze; 1. bis 3. Jh.) zuordnen.

    2.3.5 Sonstiges

    Unter den übrigen Funden bleibt ein flaches Figürchen der Venus mit Delphin aus Bein, wahrscheinlich ein Nadelköpfchen oder eine andere Verzierung, zu erwähnen. Aus Glas wurde ein Löwenköpfchen gefunden, darüber hinaus eine Anzahl von Fragmenten verschiedener Typen, darunter Opalglas mit Scheibchendekor und Glasfragmnete mit Buchstaben, die nach Frovas Ansicht von Diatretgläsern stammen könnten. Weiter erwähnt Frova, daß in großer Zahl Mühlsteine im Gebäude freigelegt wurden.
     

    2.4 Datierung

    Die sicheren Anhaltpunkte für die Datierung des Gebäudes sind nicht zahlreich. Die Funde eignen sich, wie oben schon ausgeführt wurde und wie unten noch deutlicher werden wird, kaum. Deshalb benutzte Frova für seine Datierung vor allem Vergleiche des Mauerwerks. Die damals noch geringe Zahl erforschter und datierter Bauten aus dem Balkangebiet führte dazu, daß er zum Vergleich vor allem stadtrömische Beispiele heranzog. Auf dieser Grundlage kam er zu einer Datierung auf die Mitte des 3. Jh. u. Z.[105] Der seitdem von S. Bob^cev unternommene Versuch, eine Chronologie speziell für das opus mixtum an römischen und frühbyzantinischen Bauwerken aufzustellen,[106] zeigt bei kritischer Betrachtung vor allem die Schwierigkeit, eine solche absolute Chronologie zu erarbeiten. Die Überbewertung der Zahl der Ziegelreihen in den Bändern als wichtigstes Datierungsmerkmal ist so nicht akzeptabel und sowohl durch neue sicher datierte Funde[107] als auch durch die Berichtigung der Datierung bereits in der Untersuchung berücksichtigter Bauten[108] in Frage gestellt.
    Als Indiz für die Datierung mögen jedoch, bei aller gebotener Vorsicht, Vergleiche mit dem Mauerwerk von Gebäuden insbesondere aus Oescus selbst herangezogen werden. Eine sehr ähnliche Gestaltung des opus mixtum, namentlich in der Bearbeitung der Quader, zeigt das Fundament des Fortunatempels (Abb.9). Auch das Mauerwerk des Tempels des Jupiter Optimus Maximus ist vergleichbar, obwohl die Quader größer sind (Abb. 30). Das "Südostbad" hingegen hat im Vergleich dazu sehr unregelmäßig gearbeitete Quader (Abb. 31). Ohne daraus an dieser Stelle weitergehende Schlüsse ziehen zu wollen, halten wir fest, daß die Ausführung des Mauerwerks des Gebäudes der an den Gebäuden des 2. Jh. näher steht als der am "Südostbad".
    Als wichtiger Hinweis für die Datierung eines Gebäudes dienen die gefundenen Ziegelstempel. Bei den Ausgrabungen wurden folgende Stempel gefunden:[109] LEG[io] V MA[cedonica] sechsmal; LEG[io]V MAC[edonica] zweimal; LEG[io]V M[a]C[edonica] dreimal; L[egio]VM[acedonica]OES[ci/co] fünfzigmal; [ex]PR[aedis/aefectus[110]] L[egionis]VM[acedonicae]OES[ci/co] 46mal; [ex]PR[aedis/aefectus110]L[egionis]V M[acedonicae] VAL [erianae][111] einmal; LEG[io]IITA[lica] 18mal; LEG.[io]XIC[laudia] P[ia]F[idelis] fünfmal, sowie dreizehn ungedeutete Stempel, wahrscheinlich Fabrikmarken.
    Die Tatsache, daß die meisten gefundenen Stempel sich auf die legio V Macedonica beziehen, bereitete Frova einige Schwierigkeiten, da diese erst seit 271 u. Z. wieder in Oescus stationiert war. Um seine vorgeschlagene Datierung halten zu können, vermutete er, daß sich während der Abwesenheit der Hauptkräfte der Legion eine vexillatio weiterhin in Oescus aufhielt. Diese Annahme wird heute zu Recht allgemein abgelehnt. Z. Morfova, die auch die später in Oescus gefundenen Ziegelstempel untersuchte, wies zudem darauf hin, daß der Stempel LVMOES u. ä. erst seit der Rückkehr der Legion nach Oescus in Gebrauch war[112]. Meines Erachtens muß hier der Umstand berücksichtigt werden, daß keiner der gefundenen gestempelten Ziegel sich im Mauerwerksverband befand. Ihr Wert für die Datierung des Gebäudes ist daher, besonders in Verbindung mit der noch zu treffenden Bewertung der Funde im Gebäude insgesamt (s. Abschnitt »Zur Frage der Eingänge und der Beheizbarkeit«), zu relativieren. Zwar muß die große Zahl von nach 271 u. Z. zu datierenden Ziegelstempeln bei den Überlegungen zur Datierung in Betracht gezogen werden, letztlich schließen sie aber eine frühere Datierung der ursprünglichen Anlage nicht zwingend aus, da sie sämtlich von nachträglichen Einbauten stammen können.
    Die Datierung des Gebäudes bliebe unsicher, könnten wir nicht auf die Münzen zurückgreifen. Auf den ersten Blick ist auch hier die Dokumentationslage durchaus nicht so, wie es wünschenswert wäre. Die Bearbeitung der ca. 1000 gefundenen Münzen wurde durch die Kriegsereignisse verzögert. Sie befinden sich zwar noch im Archäologischen Institut und Museum der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften,[113] sind aber noch immer nicht restauriert und bearbeitet. Auch wenn der stratigraphische Zusammenhang verloren ist, wäre doch ein Münzspiegel aufschlußreich. So muß die summarische Behandlung Frovas genügen, der mitteilt, daß es sich um Münzen der Kaiser Gordianus III., Valerianus, Gallienus, Claudius Gothicus, Aurelianus, Probus, Carinus, Numerianus, Diocletianus, Maximianus, Licinius, Constantius und Constantinus handelt und die Prägeorte Hadrianopolis, Marcianopolis und Nicopolis vorkommen.[114] Die Münzen wurden folglich zwischen 238 und 337 u. Z. geprägt. In höheren Schichten fanden sich einige byzantinische Münzen.
    Von besonderer Bedeutung ist ein Hortfund von 30 Münzen, »quasi tutte« Prägungen Aurelians und Probus', der in einer der Vertikalröhre gefunden wurde.[115] Bei einem solch engen Zeitspektrum darf davon ausgegangen werden, daß das Datum der Niederlegung innerhalb oder nur wenig nach der Regierungszeit des Probus (276-282) liegt. Die Bewertung dieses Fundes hängt nun von der Interpretation der Vertikalröhren ab, nämlich von der Frage, ob eine solche Röhre in voller Funktion als Versteck geeignet war. Unabhängig von der Antwort darauf (s. Abschnitt »Die unterirdischen Korridore und die Tonröhren«) darf davon ausgegangen werden, daß durch eine Röhre etwas geleitet werden soll und daß eine verstopfte Röhre das nicht mehr leistet. Wir dürfen also mit einiger Wahrscheinlichkeit als terminus ante quem für die vollständige oder teilweise Aufgabe des Gebäudes die Jahre um 282 u. Z. annehmen.
    Schwieriger ist die Frage nach der Entstehungszeit des Gebäudes zu lösen. Als frühestmögliches Niederlegungsdatum für die früheste Münze kommt das erste Regierungsjahr Gordianus' III. (238) in Frage. Da wir aber nicht wissen, ob die gefundene Zahl und der Wert der Münzen sie signifikant macht und die Umlaufzeit der Münzen einzuberechnen ist (auch wenn diese im 3. Jh. nicht allzu lang gewesen sein dürfte), ist bei der Annahme dieses Jahres als terminus ante quem Zurückhaltung geboten. Beziehen wir das zweitwichtigste Indiz, die "Datierungsschnittmenge" der Tonlampen (s. o.) in unsere Überlegungen ein, so können wir, bei aller Vorsicht, die erste Hälfte des 3. Jh. als Entstehungszeit für das Gebäude annehmen. Unterstützt wird das durch die Beobachtungen des Mauerwerks in Oescus (s. o.).
    Dieser Datierungsvorschlag birgt zwei Probleme. Zum einen die zwingend abweichende Datierung einiger Funde, die aber in Anbetracht der ungesicherten stratigraphischen Zusammenhänge und der offensichtlichen Zweitnutzung der Gebäude nicht allzu schwer wiegt. Andererseits, und das wird, wie schon Frova erkannte, umso problematischer, je näher wir mit dem Baubeginn an die Jahrhundertmitte rücken, ist die Anlage eines so großen Gebäudes außerhalb der Stadtmauern in einer Zeit zunehmender Unsicherheit im Donaugebiet verwunderlich.
    Um in diese Fragen Licht zu bringen, ist zunächst ein Blick auf die Interpretation des Befundes notwendig.

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