Um ein römisches Gebäude als öffentliches Bad interpretieren
zu können, muß es mindestens folgende Bedingungen erfüllen:
Erstens muß es beheizbar sein. Zweitens muß die Wasserzufuhr
und die Abwasserentsorgung gewährleistet sein. Drittens muß
die Lage der Räume einen Baderundgang ermöglichen, wie er aus
der antiken Literatur[155] und aus zahlreichen
erforschten Bädern bekannt ist.
Schon Frova hatte in seinem ersten Vorbericht eine Interpretation als Thermenanlage
diskutiert,[156] sie aber später wieder
verworfen, da die erste hier genannte Vorraussetzung fehle. Va^ceva behandelt
das Gebäude zwar als Bad, ohne sich jedoch der Mühe einer Nachweisführung
gegen die vorherrschende Meinung zu unterziehen.[157]
In den folgenden Abschnitten soll untersucht werden, ob das Gebäude
diese Voraussetzungen erfüllt. Dabei wird das Hauptaugenmerk auf der
Überprüfung des Planes auf die Möglichkeit eines Baderundganges,
damit verbunden auf der Untersuchung von Planparallelen liegen. Es soll
dabei ferner versucht werden, die Funktionen der einzelnen Räume einzugrenzen.
Es wurde bereits festgestellt, daß das Gebäude eine Hypokaustheizung
besessen haben könnte, und zwar unter der Voraussetzung, daß
erstens das Fußbodenniveau wegen des feuchten Geländes höher
als bisher angenommen lag und zweitens diese Hypokaustanlage entweder wegen
Abbruch der Bauarbeiten nie installiert oder gründlich zerstört
und entfernt wurde.
Im folgenden soll näher auf die eventuelle Lage der Präfurnien
und damit der beheizten Räume eingegangen werden. Zwei der kleinen
nordwestlichen Räume könnten als Präfurnien vorgesehen gewesen
sein. Dort wäre auch der Ort der Warmwasserbereitung zu vermuten,
zumal die angrenzende »Loggia« in Raum C sich für eine
Deutung als Platz eines größeren Beckens anbietet.
Die Räume D und E wären dann wohl von Präfurnien außerhalb
des Gebäudes beheizt worden. Die Frage, warum die einen Präfurnien
als direkt mit dem Gebäude verbundene Räume, die anderen als
Anbauten geplant worden sein sollten, ließe sich mit zwei Ursachen
begründen: zum einen wäre in den Beiräumen von C ein Kesselraum
mit unterzubringen gewesen, zum anderen scheint das Niveau des Baugrundes
nach Süden hin abgefallen zu sein, wie aus den Beobachtungen Frovas
zu entnehmen ist.[158] Darüberhinaus sind
Planungen von Thermen ohne eigene Räume für die Praefurnien keine
Seltenheit. Die Praefurnien befanden sich dann unter freiem Himmel oder
bekamen einfache Schutzmauern.[159] Als Beispiele
können eine Vielzahl einfacher Gebäude gelten, aber auch bei
größeren Bauten wie dem Haus mit dem Achäermosaik (Abb.
10) oder dem Südostbad in Oescus (Abb. 12) finden wir einfache angebaute
Mauern. Sogar die Heizgalerie an der Südfassade der Westthermen von
Augusta Traiana (Stara Zagora) aus spätantoninischer Zeit ist sicher
erst bei der Anlage des darüber liegenden Auditoriums im Zusammenhang
mit der Gestaltung des angrenzenden Forums (wahrscheinlich in severischer
Zeit) entstanden (Abb. 54).[160]
Für Raum F wäre ein Präfurnium an der seitlichen Apsisöffnung
im Norden zu vermuten. Das entspräche wiederum dem Beheizungsschema
der Thermen von Augusta Traiana. Die südliche Maueröffnung läßt
sich aufgrund ihrer Lage kaum mit einem Präfurnium erklären und
scheint unter Beachtung des Befundes nicht mit dem ursprünglichen
Plan zusammenzuhängen.
Für die Öffnung in Raum G ist wegen ihres Erhaltungszustandes
nicht festzustellen, ob sie der zur ursprünglichen Planung gehörte.
Es scheint etwas unwahrscheinlich, daß der große Raum durch
diese eine Öffnung beheizt werden sollte, mit Sicherheit ist aber
eine Beheizbarkeit von Raum G aufgrund des Befundes nicht auszuschließen.
Gleiches gilt für Raum H, wobei hier beide Öffnungen durch Reste
von Ziegelwangen als Bestandteile des ursprünglichen Planes gesichert
sind.
Raum A hingegen muß als nicht beheizbar gelten, anders als der angrenzende
Raum B, der durch die gut erhaltene Öffnung hätte beheizt werden
können.
Es ist also festzustellen, daß außer Raum A jeder Raum des
Gebäudes hätte beheizt werden können, und zwar jeder separat,
wobei die Räume D und E zusätzlich durch indirekte Heizkanäle
verbunden gewesen wären. Die größte Heizwirkung wäre
dabei sicherlich in Raum C erzielt worden, Raum G und H wären wohl
nur auf eine Temperatur zu erwärmen gewesen, die den Aufenthalt im
Winter nicht überaus unangenehm machte.
Der Plan des Gebäudes wird durch zwei Merkmale charakterisiert:
zum einen die lange, zu beheizende Raumflucht, die mit ihren zwei Apsiden
die Westfassade bestimmte, zum anderen der dahinter gelagerte große
Raum G mit seiner Gliederung und dem nördlich anschließenden
weiteren Apsidialraum. Dazu tritt der übergroße Raum H.
Wenn man nach Beispielen für eine biapsidiale Fassade, genauer für
eine nahezu symmetrische Raumreihe aus zwei Apsidialräumen mit einem
oder zwei zwischengeschobenen Räumen sucht, so findet man in großer
Zahl Beispiele in der Bäderarchitektur.
Für eine der am besten erforschten Regionen der Limesprovinzen, Baden-Württemberg,
liegt eine ausführliche Zusammenstellung der römischen Bäder
vor.[161] In ihr finden sich sechs Beispiele
einer biapsidialen Raumreihe[162]: das Soldatenbad
in Baden Baden[163] (Abb. 55), das jüngere
Bad von Griesingen[164] (Abb. 56) sowie die Bäder
von Bruchsal Obergrombach[165] (Abb. 57), Pforzheim
Hagenschieß[166] (Abb. 58), Mühlacker
Enzberg[167] (Abb. 59) und Orsingen[168]
(Abb. 60). Es handelt sich dabei, außer in Baden Baden, sämtlich
um selbständige Villenbäder vom Blocktyp, die von Heinz ins 2.
Jh. datiert werden. In fünf Fällen ist die Apsidenfront wie bei
dem Bau in Oescus nach Westen oder Südwesten orientiert. Bei vier
Bädern schließt sich das frigidarium östlich der
Räume dieser Front an, bei zwei davon mit einer nach Norden oder Süden
gerichteten Apsis, die nach Heinz eine piscina aufnahm. Allerdings
existieren auch einige Unterschiede. Zunächst handelt es sich im Vergleich
zum Frovabau um kleine Anlagen: Fünf von ihnen messen zwischen 11
x 7 m und 19,5 x 11 m.[169] Weiter liegt in vier
Fällen hinter der biapsidialen Fassade nur ein Raum,[170]
nämlich das caldarium, in zwei Fällen grenzen die Apsiden
unmittelbar aneinander. In einem der beiden Fälle, in denen die beiden
Apsiden zu zwei Räumen gehören, ist einer davon ein ungeheizter
Raum, wohl das frigidarium.
An dieser Stelle ist auch das Bad in der Zivilstadt von Lauriacum (Enns,
Oberösterreich) zu nennen, das eine beheizte Raumreihe aus zwei Apsidialräumen
und einem dazwischen liegenden Raum besitzt und wohl ins 2. oder 3. Jh.
zu datieren ist.[171] Ein kleines Privatbad in
Mühldorf auf dem Stadtgebiet von Teurnia (im heutigen Kärnten)
hat zwischen den beiden Apsidialräumen zwei Räume. Einer der
Apsidialräume ist hier das frigidarium. [172]
Diesen Beispielen kann ein Villenbad angeschlossen werden, daß schon
Frova als Parallele zitierte.[173] Das Bad der
Kaiservilla von Konz (Abb. 61 und 62)[174] aus
der Mitte des 4. Jh. ist zwar in den Villenkomplex integriert, durch seine
Lage an einer Ecke steht es dennoch relativ frei. Bestandteil der nach
Westen orientierten Raumreihe mit den nicht gleichen Apsiden ist das frigidarium,
das eine weitere Apsis nach Süden hat. Frigidarium und tepidarium
ist ein oblonges apodyterium vorgelagert.
Aber auch im heutigen Bulgarien selbst gibt es zahlreiche Parallelen mit
dieser Raum- und Fassadengestaltung als architektonischem Grundelement.
Wir finden sie bei den Privatbädern von Smochan (2. Hälfe 2.
Jh.; Abb. 63),[175] Grani^cak Nr. 2 (2. - 3.
Jh.; Abb. 64),[176] Urvene (2. - 3. Jh.; Abb.
65),[177] dem Bad Nr. 2 in der Villa Nr. 2 bei
Montana (2.-3.. Jh.; Abb. 66),[178] den Privatbädern
in Augusta Traiana (Stara Zagora) (Ende 3. / Anfang 4. Jh.; Abb. 67)[179]
und Krupnik (undatiert; Abb. 68),[180] einem
öffentlichen Bad Nr.3 in Durostorum (Silistra) (Anfang 4. Jh.; Abb.
69),[181] und dem "Militärbad"
von Acra (Kap Kaliakra) (4. Jh.; Abb. 70).[182]
Bei den Privatbädern handelt es sich wiederum in allen Fällen
um selbständige Gebäude. Sie sind einfachste, kleine[183]
Anlagen vom Reihentyp, die meist nur aus einer einzigen Raumreihe mit biapsidialer
Fassade, die dann auch das frigidarium einschließt, bestehen. Bei
zwei Bädern wird an ein oder zwei Räume eine weitere Apsis auf
der gegenüberliegenden Seite angefügt, zweimal schließt
die Stirnseite der Raumreihe mit einer Apsis ab. Beim Bad von Acra ist
die eine Apsis Teil eines großen ungeheizten Raumes, der winkelförmig
ein Ende der geheizten Raumreihe umfaßt.
Größere biapsidiale Vierraumreihen finden wir in den nördlichen
und westlichen Provinzen. Dazu gehören das Bad bei St. Stephan in
Mainz (Abb. 71),[184] das Bad am Forum von Teurnia
(1. Hälfte 3. Jh.; Abb. 72)[185] und die
"Bains de l' Ouest" von Cemenelum (Nice-Cimiez, Frankreich) (2.
Hälfte 3. Jh.; Abb. 73).[186] Ob auch die
Thermen von Lyon (Anf. 2. Jh.; Abb. 74) dazu zu zählen sind, ist anhand
des Grabungsplanes und -berichtes schwer zu entscheiden.[187]
Bei den drei erstgenannten ist wiederum das frigidarium Bestandteil
der Raumreihe.
Auch in Kleinasien existieren Anlagen mit biapsidialen Raumreihen und Fassaden:
die Bäder 5B in Iotape (Abb. 75)[188] sowie
II 11B (Abb. 76)[189] und III 2B (Abb. 77)[190]
in Anemurium. Diese Bäder haben aber sonst eine stark abweichende
Raumkonzeption.
Auch bei monumentalen Anlagen wie den Thermen von Ancyra (Ankara) tritt
diese Raumgestaltung auf (Abb. 84 und 85).[191]
Zusätzlich stimmen die asymmetrische Anlage des übrigen Gebäudeteils
und das Hinzuteten großer oblonger Räume mit dem hier zu untersuchenden
Bau überein.
Die biapsidiale Raumreihe ist jedoch nur ein Planmerkmal und wohl nicht
das wichtigste. Wenn gerade kleine, einfache Bäder mit einer biapsidialen
Raumreihe ausgestattet sind, muß davon ausgegangen werden, daß
es sich bei diesen Planelement um eine einfache und sich bei der Anlage
von Bädern logisch ergebende, darum beliebte Lösung handelt.
Festzuhalten bleibt, daß es sich bei allen Beispielen für eine
biapsidiale Raumreihe um Bäder handelt.
Die Besonderheit der Plangestaltung ist der hinter die Raumreihe gelagerte
große Raum G und der an dessen Schmalseite anschließende ungeheizte
Apsidialraum A, der durch einen kleinen beheizten Raum an die beheizte
Raumreihe angeschlossen ist.
Der große Querraum ist auch Teil eines spätantiken Bades in
Nicopolis ad Nestum (Garmen; Abb. 78),[192] das
in die zwanziger Jahre des 4. Jh. datiert wird. Das frigidarium ist
Bestandteil der biapsidialen Raumreihe im Süden und einzige Verbindung
zwischen apodyterium und Badetrakt. Zwischen den beiden Apsidenräumen
(frigidarium und caldarium) befinden sich zwei Räume.
Das apodyterium liegt an der Rückseite dieser beiden Räume
und des frigidariums. An seine Schmalseite schließt sich im
Westen, d. h. an der Rückwand des caldariums, ein nahezu quadratischer
Raum mit ungeklärter Bestimmung an. Im Osten ist dem Gebäude
über seine ganze Breite ein großer Raum angegliedert, der drei
Eingänge an der Langseit und einen an einer Schmalseite aufweist und
ein großes vestibulum darstellt. Nördlich schließt
der Raum mit drei nur von außen zugänglichen Räumen ab,
die wohl als Läden anzusehen sind. Der Komplex umfaßt eine Fläche
von 28,50 x 18,25 m.
Eine dem hier untersuchten Gebäude ganz ähnliche Raumdisposition
existiert bei einigen römischen Bädern in Rumänien:
Das undatierte Bad von Mehadia (Abb. 79)[193]
ist in seiner Südfassade mit zwei Apsiden versehen. Zwischen den beiden
Apsidenräumen liegt ein weiterer Raum. Diese drei Räume sind
hypokaustiert. An sie schließen sich östlich und westlich je
ein weiterer, nicht hypokaustierter Raum an. An der Rückseite der
fünf östlichen Räume erstreckt sich ein langer rechteckiger
Raum. Die Apsis, die ihn im Westen abschließt, grenzt an die Nordwand
des sechsten Raumes der Raumreihe. Aus der Nordwand des Langraumes tritt
in seinem östlichen Teil eine Apsis, die ein kreisrundes Bassin enthält.
Der Bau, der sich 100 m außerhalb eines Lagers befindet, mißt
12 x 30 m.
Ebenfalls undatiert ist das Bad außerhalb des Lagers von Slâveni
(Abb. 80).[194] Zwei Apsidenräume bilden
mit einem von ihnen eingeschlossenen Raum, der ein kleinere Apsis hat,
und einem außen angrenzenden Raum eine Raumreihe, die durchgehend
mit Hypokaustheizung ausgestattet ist. Eine zweite, nicht hypokaustierte
Raumreihe liegt auf der der Apsidenfassade entgegengesetzten Seite. Sie
besteht aus einem großen Raum, der sich an der Rückwand eines
Apsidenraumes und des eingeschlossenen Raumes befindet, und zwei kleineren
rechteckigen Räumen, die dem zweiten Apsidenraum und den angrenzenden
Raum entsprechen. Aus der äußeren Langseite des großen
Raumes tritt ein kleiner rechteckiger, mit einer Apsis endender Raum. Die
beheizbare Raumreihe wird als tepidarium, caldarium und laconicum
gedeutet, der große Raum ist zweifellos ein apodyterium, an
das sich mit dem kleine Apsidialraum ein frigidarium anschließt.
Die Deutung der beiden verbleibenden Räume als sudatorium und
unctorium sei dahingestellt.
Das Bad vor den Toren des Kastells Dinogetia an der Donau in der nördlichen
Dobrogea (Abb. 81)[195] weist ebenfalls im Südwesten
eine Raumreihe aus zwei Apsidenräumen und einem zwischengeschobenen,
hier fast quadratischen Raum auf, an die sich seitlich ein praefurnium
anschließt. Der nordöstlich davon gelegene langrechteckige Raum
schließt mit den südöstlichen Apsidenraum ab und geht nordwestlich
um etwa eine Raumbreite (ca. 5 m) über den anderen hinaus. In diesem
Bereich befand sich neben dem Apsidialraum der Eingang in den Langraum
und in das Gebäude insgesamt. Der Langraum hatte gegenüber dem
Eingang zum nordwestlichen Apsidenraum eine Apsis. In späteren Bauphasen
erhielt der Langraum an seiner südöstlichen Schmalseite eine
weitere Apsis und an den nordwestlichen Apsidenraum wurde ein zusätzliches
praefurnium angebaut.
Das Gebäude nimmt eine Fläche von 20 x 30 m ein. Es wird ins
dritte oder vierte Jahrzehnt des 4. Jh. datiert. Die biapsidiale Raumreihe
hat Hypokausten aus Arkadenkonstruktionen oder Gewölben. Außer
der später hinzugefügten haben alle Apsiden außen Trapezform.
Der Langraum erfülllte offensichtlich die Funktionen von apodyterium
und frigidarium gemeinsam. Von dort trat man direkt in den nordwestlichen
Apsidenraum, das tepidarium. Es folgte der Gang durchs sudatorium
ins caldarium. In der dem praefurnium am nächsten liegenden
großen Rechtecknische dieses südöstlichen Apsidialraumes
ist eine Wanne für Warmbäder zu postulieren.
Bei der Betrachtung der Raumanordnung dieser Bäder fällt auf,
daß der Besucher hier vom apodyterium aus direkten Zugang
zum Warmbadetrakt hatte. Das ist weniger deutlich, wenn apodyterium
und frigidarium ohnehin vereint sind. Beim Bad von Slâveni
jedoch mußte der Besucher, aus dem Warmbadetrakt kommend, noch einmal
durch das apodyterium gehen, ehe er das frigidarium betreten
konnte.
Ein direkter Zugang vom apodyterium zum Warmbadetrakt existierte auch bei
den Thermen am Westtor von Augusta Traiana (Stara Zagora; Abb. 54)[196]
und den großen Thermen von Odessos (Varna; Abb. 39).[197]
Allerdings handelt es sich dabei nicht, wie S. Conrad[198]
meint, um ungewöhliche Ausnahmen, die mit besonderen Badegewohnheiten
zu begründen wären. Beispiele aus Rumänien wurden eben schon
gezeigt. Darüber hinaus zeigt die Untersuchung der verschiedenen Badtypen,[199]
daß der Weg durchs frigidarium für den Badegang nicht
zwingend, sondern eher bestimmten Raumdispositionen geschuldet war. Ein
Aufenthalt im frigidarium scheint zwingend am Ende des Bades gestanden
zu haben, wie ein bestimmter Ringtyp zeigt.[200]
Das frigidarium am Beginn des Badeganges ist daher entweder typisch
für den Reihentyp, bei dem der Badende durch dieselben Räume
wieder aus dem caldarium zurückkehrt, oder es ist der Raumgestaltung
geschuldet, die ihm einen so wichtigen Platz einräumt, daß es
gleichzeitig als Durchgangsraum dient.[201] Ungewöhnlich
für Odessos und Augusta Traiana wäre demzufolge lediglich der
direkte Übergang vom caldarium zum frigidarium. Dazu
sei darauf hingewiesen, daß in Augusta Traiana von den hinter den
Fassadenräumen gelegenen Räumen ein äußerst geringer
Teil ergraben ist, und daß für Odessos die Deutung des an das
caldarium anschließenden Mittelraumes als frigidarium
von P. Georgiev bestritten und dieser Raum als tepidarium beansprucht
wurde.[202]
Sucht man nach Parallelen für das Gebäude in Oescus unter dem
Gesichtspunkt des Badeganges bei der gegebenen Raumdisposition, findet
man eine überaus enge Parallele in unmittelbarer Nähe: das "Südostbad"
intra muros in Oescus (Abb. 12 und 13). Zwar ist die Deutung der
Räume nicht einfach, da die Ausgrabung nicht publiziert ist und der
heutige Befund im wesentlichen von der Restaurierung bestimmt wird. Bei
einem kritischen Vergleich des von Va^ceva veröffentlichten Planes
mit dem von mir aufgenommenen sind jedoch einige Schlüsse möglich:
Der Warmbadetrakt ist in einer Raumreihe angeordnet. Er besteht mindestens
aus den drei Apsidialräumen (die Zugehörigkeit des nordöstlichen
Eckraumes halte ich nicht nur wegen der Restaurierung, sondern auch aus
heizungtechnischen Gründen für unwahrscheinlich). Zentrum der
Anlage ist das große apodyterium, von dem aus mindestens ein
Eingang direkt in den Warmbadetrakt führt. Das frigidarium
ist an der an den Warmbadetrakt angrenzenden Seite angeordnet und mit dem
vermutlichen caldarium durch einen kleinen, wohl auch beheizbaren
Raum verbunden. Man wird also davon ausgehen können, daß es
sich bei diesem Bad nicht, wie auf den ersten Blick zu vermuten wäre,
um ein Bad im Reihentyp, sondern eines im Ringtyp handelt, bei dem
der Besucher aus dem caldarium nicht auf demselben Wege wieder zurückkehrt,
sondern durch ein zwischengeschaltetes tepidarium weiter ins frigidarium
und von dort wieder ins apodyterium gelangt.
Dieses Schema läßt sich mühelos auf den Bau extra muros
übertragen: Die Räume C bis F wären als Warmbadetrakt zu
identifizieren, wobei C als caldarium anzusprechen wäre. Da
es sich bei A um das frigidarium handeln müßte, wäre
in B ein kleines zwischengeschaltetes tepidarium zu vermuten. Raum
G stellte in diesem Schema das große zentrale apodyterium
dar.
Eine Parallele vereint den größten Teil der charakteristischen
Planelemente des untersuchten Gebäudes: das Bad der Villa bei Madara
(Bulgarien) in der dritten Bauperiode (Ende des 3. / Anfang des 4. Jh.)
(Abb. 82 und 83).[203] Es hat eine biapsidiale
Raumreihe, die durchgängig beheizt ist und den gesamten Warmbadetrakt
zusammenfaßt. Dahinter liegt ein großer Raum, von dem im Winkel
zum Warmbadetrakt ein weiterer, nicht beheizbarer Apsidialraum abgeht.
Letzterer ist durch einen kleinen Raum mit dem vermutlichen caldarium verbunden.
Unterschiede bestehen in der Größe des Komplexes (ca. 26 x 15
m), den beiden nördlich angrenzenden Räumen und der Zugehörigkeit
zu einer Villenanlage (darin sehr gut vergleichbar der Villa von Konz (Abb.
109)).
Stellt man die Frage nach der typologischen Verwandschaft der Bäder
mit einem großen zentralen apodyterium, [204]
fällt zunächst eine Gruppe von Bädern in Kleinasien auf,
die als »baths with a central rectangular covered galery«[205]
oder einfacher als »hall type«[206]
bezeichnet werden. Allerdings handelt es sich dabei um eine sehr kleine
Gruppe von Bädern, die räumlich eng auf das östliche Pamphylien
und einige Städte des kilikischen Hochlandes beschränkt ist.
Kennzeichnendes Merkmal ist eine rechteckige Halle, auf deren einer Seite
sich die beheizten Räume gruppieren, währen die unbeheizten nach
der anderen Seite ausgerichtet sind. Die Verwandschaft dieses Badtypes
mit dem hier behandelten Gebäude und den typologisch verwandten Bädern
ist nicht sehr eng, allerdings entstehen bei einigen Ausprägungen
(z. B. Dinogetia) ähnliche Raumdispositionen.
Keine Beachtung hat bei den plantypologischen Untersuchungen bisher Raum
H gefunden, der das Gebäude nach Osten abschließt. Für
ein vestibulum etwas überproportioniert, wird man ihn als eine
basilica thermarum zu identifizieren haben, wie sie in den
nördlichen Grenzprovinzen zunehmend die palaestra ersetzt hat,[207]
wie sie aber auch in Kleinasien in besonderer Mannigfaltigkeit vorkommt.[208]
Eine Deutung als palaestra würde einen Vergleich mit kleinasiatischen
Bad-Gymnasium-Komplexen[209] möglich erscheinen
lassen. Dafür scheint der Raum jedoch zu schmal, im übrigen wird
man angesichts der Mauerstärke mit einer Überdachung zu rechnen
haben.
Die Ausbildung großer Hallen wie die Räume H oder G sowie die
Entmonumentalisierung des Warmbadetrakts im Vergleich zu den großen
Bädern des Westens kennzeichnen die Bäder der östlichen
Provinzen (z.B. die Thermen von Ankara, Abb. 85.). Auch wenn in Kleinasien
und den benachbarten Provinzen das Gymnasium bestimmend für die Entwicklung
der Thermen ist, so verliert doch die palaestra im 3./4. Jh. auch hier
an Bedeutung. [210]
Für die Zufuhr von Frischwasser zum Gebäude bietet der archäologische
Befund bisher keine Belege. Die Tatsache aber, das sich im südöstlichen
Stadtgebiet zur angenommenen Bauzeit bereits seit dem 2. Jh. ein Bad befand,
läßt vermuten, daß eine Wasserversorgung nicht auf ernsthafte
Schwierigkeiten gestoßen wäre. Das Fehlen aller Spuren kann
nicht verwundern, wenn man die oben dargelegte Hypothese über den
Abbruch der Bauarbeiten akzeptiert (vgl. Abschnitt »Zur Frage der
Eingänge und der Beheizbarkeit«). Ein Anschluß an die
Wasserversorgung wird sicher erst nach der engültigen Fertigstellung
eines Bades geschaffen worden sein.
Eine Abwasserentsorgung war, unter den oben dargelegten Bedingungen, möglich
(s. Abschnit »Die unterirdischen Korridore und die Tonröhren«).
Dafür spricht auch, daß der einzige Befund, der sicher mit der
Wasserversorgung in Verbindung gebracht werden kann, die horizontale Tonröhre
in Raum A, an der gleichen Stelle des Gebäudes nach außen tritt,
an der auch der Ausfluß der unterirdischen Korridore vermutet werden
muß. Selbst wenn Untersuchungen ergeben sollten, daß wegen
der Höhenverhältnisse die unterirdischen Korridore nicht zu Entwässerung
gedient haben können, so schließt das eine Deutung als Bad nicht
aus; die hypothetische Badeetage lag ja wesentlich höher.
Es konnte gezeigt werden, daß die bisherigen Gründe, eine
Deutung des Baus als Bad auszuschließen, nicht zwingend sind, wenn
folgende Annahmen akzeptiert werden:
- Da der Abschluß der unterirdischen Korridore nordöstlich von
Raum A keineswegs sicher ist, besteht die Möglichkeit, daß sie
zusammen mit den vertikalen Tonröhren und den Schrägröhren
ein System zur Ableitung des sich auf dem Dach sammelnden Regenwassers
wie auch des Abwassers des Badebetriebes bildeten. Voraussetzung dafür
ist ein hinreichender Niveauunterschied sowohl innerhalb der Korridore
als auch zwischen Korridoren und Stadtgraben. Das zu überprüfen,
wäre die Aufgabe neuer Forschungen.
- Eine Beheizbarkeit des Gebäudes ist dann nicht ausgeschlossen, wenn
sich, in Anbetracht des feuchten Untergrundes, das Hypokaustgeschoß
oberirdisch befinden sollte. Dann hätten ferner die Eingänge
der Räume in einer Höhe gelegen, wie sie heute durch die maximale
Erhaltungshöhe nur noch an einigen Stellen des Gebäudes markiert
wird, so daß die Verbindung zwischen den Räumen im Nutzungsgeschoß
nicht mehr zu rekonstruieren wäre.
Darüber hinaus wurde eine Hypothese aufgestellt, die das Fehlen aller
Spuren von Hypokausten und Wasserzufuhr erklärt. Die Vermutung, daß
das Gebäude nicht fetiggestellt wurde, konnte mit der vorgeschlagenen
Datierung in die erste Hälfte des 3. Jh., seiner Lage vor der Stadtmauer
und der historischen Situation in Niedermösien in den Jahren nach
238 u. Z. unterstützt werden. Für eine Einbeziehung von Oescus
in die Kämpfe 250/51 wurden außer den historischen Nachrichten
auch archäologische Belege gefunden.
Schließlich konnte durch typologische Untersuchung des Grundrisses
dessen enge Verwandschaft mit den Grundrissen von Bädern, insbesondere
auch in Bulgarien, nachgewiesen werden. Auch wenn die Zahl der Parallelen
nicht ausreicht, um eine eigene Gruppe zu postulieren, so scheint doch
im niedermösisch-dakischen Bereich die aus der Badarchitektur bekannte
biapsidiale Raumreihe eine besondere Ausprägung erfahren zu haben,
bei der das frigidarium aus der Raumreihe verdrängt und zum
Appendix eines neu hinzutretenden größeren oblongen Raumes wurde.
Im "Südwestbad" von Oescus, möglicherweise auch beim
Gebäude extra muros und beim Badetrakt der Villa von Madara
wird der nach Ursprung und Form dem Reihentyp angehörende Grundriß
so erweitert, daß ein ringförmiger Baderundgang möglich
wurde.
Bei allen beobachteten Ähnlichkeiten bleibt das Gebäude dennoch
ein Unikat: Keines der untersuchten Bäder mit einem eng verwandten
Grundriß erreicht eine derartige Größe und Massivität.
Das Bad, das unter Beibehaltung des Planschemas nach Aufgabe des außerstädtischen
Baus an der Stelle eines - möglicherweise ebenfalls bei Barbareneinfällen
in Mitleidenschaft gezogenen - Bades aus dem 2. Jh. u. Z. als Ersatz innerhalb
der Stadtmauern gebaut wurde, hatte schon bescheidenere Ausmaße.
Auch der Grundriß des Gebäudes extra muros war aber im
Vergleich dazu noch komplizierter: Der Warmbadetrakt umfaßte vier
Räume, die alle separat zu beheizen waren. Dabei standen die beiden
mittleren noch durch indirekte Heizkanäle in Verbindung. Es darf also
angenommen werden, daß geplant war, bei mangelndem Bedarf die beiden
südlichen praefurnia stillzulegen, wobei Raum E von Raum D
aus weiter indirekt beheizt worden wäre, so daß ein dreigliedriger
Warmbadetrakt entstanden wäre. Daß Raum C als caldarium
zu identifizieren ist, wurde oben schon dargelegt, ebenso die Deutung von
Raum B als weiteres kleines tepidarium. An der Identifizierung des
einzigen mit Sicherheit unheizbaren Raumes A als frigidarium des
hypothetischen Bades kann kein Zweifel bestehen. Das große apodyterium
G ist ungewöhnlich auch durch die es gliedernden Zungenmauern. Sie
dienten wohl auch der Erleichterung der Dachkonstruktion, die man sich
als eine Reihe von Tonnengewölben vorstellen darf, wie das auch aus
den vermutlichen Regenröhren in den Zungenmauern deutlich wird. Möglicherweise
war der Innenraum auch von Kreuzgewölben überspannt.
Letztlich ungeklärt bleibt die Frage der Eingänge in das Gebäude.
Es stehen dafür zwei Möglichkeiten zur Disposition, die beide
gute Argumente für sich haben. In Parallele zum "Südostbad"
könnte man einen Eingang an der dem frigidarium gegenüberliegenden
Südseite des apodyteriums vermuten. Beim "Südostbad"
steht allerdings zum Ausgleich des Höhenunterschiedes ein kleiner
Vorraum zu Verfügung. Für das hier untersuchte Gebäude müßte
entweder eine Freitreppe oder eine ins Innere des Saales reichende Treppe
angenommen werden. Die zweite Möglichkeit wäre, auf die ohnehin
nicht sehr wahrscheinliche Annahme, Raum H wäre beheizt gewesen, zu
verzichten. Dann hätte der Besucher durch die noch erhaltenen Eingänge
zunächst das niedrigere Niveau der basilica thermarum betreten,
um dann die Niveauunterschiede im Gebäude mit Treppen zu überwinden.
Mit den Räumen G und H geht der Plan des Gebäudes über die
vergleichbaren Anlagen hinaus und manifestiert Einflüsse, die mir,
wie ich oben schon angedeutet habe, nach Kleinasien zu weisen scheinen
und wie wir sie in Oescus mehrfach finden.[211]
Ursache dafür ist wohl vor allem, daß ein bedeutender Teil der
Bevölkerung Oescus' aus dem griechischen Osten stammte.[212]
Das Ziel dieser Arbeit konnte nicht sein, den Zweck des Gebäudes extra
muros in Oescus, des sogenannten "Frovabau", eindeutig zu klären.
Es ist jedoch - so hoffe ich - gelungen zu zeigen, daß die vorgeschlagene
Deutung nicht wie bisher völlig ausgeschlossen werden muß, und
ihr darüber hinaus einige Wahrscheinlichkeit zu geben. Zukünftige
Arbeiten in Oescus werden die hier geäußerten Thesen wahrscheinlicher
machen - oder mit mehr Sicherheit widerlegen. In jedem Fall steht zu hoffen,
daß die Arbeiten an dieser großartigen antiken Stätte
bald in größerem Umfang wieder aufgenommen werden können.
Einige der bei Frova erwähnten und abgebildeten Objekte stammen zwar nicht aus der Grabung, sollen aber der Vollständigkeit halber hier auch erwähnt werden:
Im Garten des Museums in Gigen:
(zurück zum Inhaltsverzeichnis)
(Abbildungen sind in der Internetversion leider vorläufig nicht verfügbar.)