2.5.3 Die Interpretation als Bad

Voraussetzungen

Um ein römisches Gebäude als öffentliches Bad interpretieren zu können, muß es mindestens folgende Bedingungen erfüllen:
Erstens muß es beheizbar sein. Zweitens muß die Wasserzufuhr und die Abwasserentsorgung gewährleistet sein. Drittens muß die Lage der Räume einen Baderundgang ermöglichen, wie er aus der antiken Literatur[155] und aus zahlreichen erforschten Bädern bekannt ist.
Schon Frova hatte in seinem ersten Vorbericht eine Interpretation als Thermenanlage diskutiert,[156]  sie aber später wieder verworfen, da die erste hier genannte Vorraussetzung fehle. Va^ceva behandelt das Gebäude zwar als Bad, ohne sich jedoch der Mühe einer Nachweisführung gegen die vorherrschende Meinung zu unterziehen.[157] In den folgenden Abschnitten soll untersucht werden, ob das Gebäude diese Voraussetzungen erfüllt. Dabei wird das Hauptaugenmerk auf der Überprüfung des Planes auf die Möglichkeit eines Baderundganges, damit verbunden auf der Untersuchung von Planparallelen liegen. Es soll dabei ferner versucht werden, die Funktionen der einzelnen Räume einzugrenzen.

Heizung

Es wurde bereits festgestellt, daß das Gebäude eine Hypokaustheizung besessen haben könnte, und zwar unter der Voraussetzung, daß erstens das Fußbodenniveau wegen des feuchten Geländes höher als bisher angenommen lag und zweitens diese Hypokaustanlage entweder wegen Abbruch der Bauarbeiten nie installiert oder gründlich zerstört und entfernt wurde.
Im folgenden soll näher auf die eventuelle Lage der Präfurnien und damit der beheizten Räume eingegangen werden. Zwei der kleinen nordwestlichen Räume könnten als Präfurnien vorgesehen gewesen sein. Dort wäre auch der Ort der Warmwasserbereitung zu vermuten, zumal die angrenzende »Loggia« in Raum C sich für eine Deutung als Platz eines größeren Beckens anbietet.
Die Räume D und E wären dann wohl von Präfurnien außerhalb des Gebäudes beheizt worden. Die Frage, warum die einen Präfurnien als direkt mit dem Gebäude verbundene Räume, die anderen als Anbauten geplant worden sein sollten, ließe sich mit zwei Ursachen begründen: zum einen wäre in den Beiräumen von C ein Kesselraum mit unterzubringen gewesen, zum anderen scheint das Niveau des Baugrundes nach Süden hin abgefallen zu sein, wie aus den Beobachtungen Frovas zu entnehmen ist.[158] Darüberhinaus sind Planungen von Thermen ohne eigene Räume für die Praefurnien keine Seltenheit. Die Praefurnien befanden sich dann unter freiem Himmel oder bekamen einfache Schutzmauern.[159] Als Beispiele können eine Vielzahl einfacher Gebäude gelten, aber auch bei größeren Bauten wie dem Haus mit dem Achäermosaik (Abb. 10) oder dem Südostbad in Oescus (Abb. 12) finden wir einfache angebaute Mauern. Sogar die Heizgalerie an der Südfassade der Westthermen von Augusta Traiana (Stara Zagora) aus spätantoninischer Zeit ist sicher erst bei der Anlage des darüber liegenden Auditoriums im Zusammenhang mit der Gestaltung des angrenzenden Forums (wahrscheinlich in severischer Zeit) entstanden (Abb. 54).[160]
Für Raum F wäre ein Präfurnium an der seitlichen Apsisöffnung im Norden zu vermuten. Das entspräche wiederum dem Beheizungsschema der Thermen von Augusta Traiana. Die südliche Maueröffnung läßt sich aufgrund ihrer Lage kaum mit einem Präfurnium erklären und scheint   unter Beachtung des Befundes nicht mit dem ursprünglichen Plan zusammenzuhängen.
Für die Öffnung in Raum G ist wegen ihres Erhaltungszustandes nicht festzustellen, ob sie der zur ursprünglichen Planung gehörte. Es scheint etwas unwahrscheinlich, daß der große Raum durch diese eine Öffnung beheizt werden sollte, mit Sicherheit ist aber eine Beheizbarkeit von Raum G aufgrund des Befundes nicht auszuschließen. Gleiches gilt für Raum H, wobei hier beide Öffnungen durch Reste von Ziegelwangen als Bestandteile des ursprünglichen Planes gesichert sind.
Raum A hingegen muß als nicht beheizbar gelten, anders als der angrenzende Raum B, der durch die gut erhaltene Öffnung hätte beheizt werden können.
Es ist also festzustellen, daß außer Raum A jeder Raum des Gebäudes hätte beheizt werden können, und zwar jeder separat, wobei die Räume D und E zusätzlich durch indirekte Heizkanäle verbunden gewesen wären. Die größte Heizwirkung wäre dabei sicherlich in Raum C erzielt worden, Raum G und H wären wohl nur auf eine Temperatur zu erwärmen gewesen, die den Aufenthalt im Winter nicht überaus unangenehm machte.

Anlage des Rundgangs / Planparallelen

Der Plan des Gebäudes wird durch zwei Merkmale charakterisiert: zum einen die lange, zu beheizende Raumflucht, die mit ihren zwei Apsiden die Westfassade bestimmte, zum anderen der dahinter gelagerte große Raum G mit seiner Gliederung und dem nördlich anschließenden weiteren Apsidialraum. Dazu tritt der übergroße Raum H.
Wenn man nach Beispielen für eine biapsidiale Fassade, genauer für eine nahezu symmetrische Raumreihe aus zwei Apsidialräumen mit einem oder zwei zwischengeschobenen Räumen sucht, so findet man in großer Zahl Beispiele in der Bäderarchitektur.
Für eine der am besten erforschten Regionen der Limesprovinzen, Baden-Württemberg, liegt eine ausführliche Zusammenstellung der römischen Bäder vor.[161] In ihr finden sich sechs Beispiele einer biapsidialen Raumreihe[162]: das Soldatenbad in Baden Baden[163] (Abb. 55), das jüngere Bad von Griesingen[164] (Abb. 56) sowie die Bäder von Bruchsal Obergrombach[165] (Abb. 57), Pforzheim Hagenschieß[166] (Abb. 58), Mühlacker Enzberg[167] (Abb. 59) und Orsingen[168] (Abb. 60). Es handelt sich dabei, außer in Baden Baden, sämtlich um selbständige Villenbäder vom Blocktyp, die von Heinz ins 2. Jh. datiert werden. In fünf Fällen ist die Apsidenfront wie bei dem Bau in Oescus nach Westen oder Südwesten orientiert. Bei vier Bädern schließt sich das frigidarium östlich der Räume dieser Front an, bei zwei davon mit einer nach Norden oder Süden gerichteten Apsis, die nach Heinz eine piscina aufnahm. Allerdings existieren auch einige Unterschiede. Zunächst handelt es sich im Vergleich zum Frovabau um kleine Anlagen: Fünf von ihnen messen zwischen 11 x 7 m und 19,5 x 11 m.[169] Weiter liegt in vier Fällen hinter der biapsidialen Fassade nur ein Raum,[170] nämlich das caldarium, in zwei Fällen grenzen die Apsiden unmittelbar aneinander. In einem der beiden Fälle, in denen die beiden Apsiden zu zwei Räumen gehören, ist einer davon ein ungeheizter Raum, wohl das frigidarium.
An dieser Stelle ist auch das Bad in der Zivilstadt von Lauriacum (Enns, Oberösterreich) zu nennen, das eine beheizte Raumreihe aus zwei Apsidialräumen und einem dazwischen liegenden Raum besitzt und wohl ins 2. oder 3. Jh. zu datieren ist.[171] Ein kleines Privatbad in Mühldorf auf dem Stadtgebiet von Teurnia (im heutigen Kärnten) hat zwischen den beiden Apsidialräumen zwei Räume. Einer der Apsidialräume ist hier das frigidarium. [172]
Diesen Beispielen kann ein Villenbad angeschlossen werden, daß schon Frova als Parallele zitierte.[173] Das Bad der Kaiservilla von Konz (Abb. 61 und 62)[174] aus der Mitte des 4. Jh. ist zwar in den Villenkomplex integriert, durch seine Lage an einer Ecke steht es dennoch relativ frei. Bestandteil der nach Westen orientierten Raumreihe mit den nicht gleichen Apsiden ist das frigidarium, das eine weitere Apsis nach Süden hat. Frigidarium und tepidarium ist ein oblonges apodyterium  vorgelagert.
Aber auch im heutigen Bulgarien selbst gibt es zahlreiche Parallelen mit dieser Raum- und Fassadengestaltung als architektonischem Grundelement. Wir finden sie bei den Privatbädern von Smochan (2. Hälfe 2. Jh.; Abb. 63),[175] Grani^cak Nr. 2 (2. - 3. Jh.; Abb. 64),[176] Urvene (2. - 3. Jh.; Abb. 65),[177] dem Bad Nr. 2 in der Villa Nr. 2 bei Montana (2.-3.. Jh.; Abb. 66),[178] den Privatbädern in Augusta Traiana (Stara Zagora) (Ende 3. / Anfang 4. Jh.; Abb. 67)[179] und Krupnik (undatiert; Abb. 68),[180] einem öffentlichen Bad Nr.3 in Durostorum (Silistra) (Anfang 4. Jh.; Abb. 69),[181] und dem "Militärbad" von Acra (Kap Kaliakra) (4. Jh.; Abb. 70).[182] Bei den Privatbädern handelt es sich wiederum in allen Fällen um selbständige Gebäude. Sie sind einfachste, kleine[183] Anlagen vom Reihentyp, die meist nur aus einer einzigen Raumreihe mit biapsidialer Fassade, die dann auch das frigidarium einschließt, bestehen. Bei zwei Bädern wird an ein oder zwei Räume eine weitere Apsis auf der gegenüberliegenden Seite angefügt, zweimal schließt die Stirnseite der Raumreihe mit einer Apsis ab. Beim Bad von Acra ist die eine Apsis Teil eines großen ungeheizten Raumes, der winkelförmig ein Ende der geheizten Raumreihe umfaßt.
Größere biapsidiale Vierraumreihen finden wir in den nördlichen und westlichen Provinzen. Dazu gehören das Bad bei St. Stephan in Mainz (Abb. 71),[184] das Bad am Forum von Teurnia (1. Hälfte 3. Jh.; Abb. 72)[185] und die "Bains de l' Ouest" von Cemenelum (Nice-Cimiez, Frankreich) (2. Hälfte 3. Jh.; Abb. 73).[186] Ob auch die Thermen von Lyon (Anf. 2. Jh.; Abb. 74) dazu zu zählen sind, ist anhand des Grabungsplanes und -berichtes schwer zu entscheiden.[187] Bei den drei erstgenannten ist wiederum das frigidarium Bestandteil der Raumreihe.
Auch in Kleinasien existieren Anlagen mit biapsidialen Raumreihen und Fassaden: die Bäder 5B in Iotape (Abb. 75)[188] sowie II 11B (Abb. 76)[189] und III 2B (Abb. 77)[190] in Anemurium. Diese Bäder haben aber sonst eine stark abweichende Raumkonzeption.
Auch bei monumentalen Anlagen wie den Thermen von Ancyra (Ankara) tritt diese Raumgestaltung auf (Abb. 84 und 85).[191] Zusätzlich stimmen die asymmetrische Anlage des übrigen Gebäudeteils und das Hinzuteten großer oblonger Räume mit dem hier zu untersuchenden Bau überein.
Die biapsidiale Raumreihe ist jedoch nur ein Planmerkmal und wohl nicht das wichtigste. Wenn gerade kleine, einfache Bäder mit einer biapsidialen Raumreihe ausgestattet sind, muß davon ausgegangen werden, daß es sich bei diesen Planelement um eine einfache und sich bei der Anlage von Bädern logisch ergebende, darum beliebte Lösung handelt. Festzuhalten bleibt, daß es sich bei allen Beispielen für eine biapsidiale Raumreihe um Bäder handelt.
Die Besonderheit der Plangestaltung ist der hinter die Raumreihe gelagerte große Raum G und der an dessen Schmalseite anschließende ungeheizte Apsidialraum A, der durch einen kleinen beheizten Raum an die beheizte Raumreihe angeschlossen ist.
Der große Querraum ist auch Teil eines spätantiken Bades in Nicopolis ad Nestum (Garmen; Abb. 78),[192] das in die zwanziger Jahre des 4. Jh. datiert wird. Das frigidarium ist Bestandteil der biapsidialen Raumreihe im Süden und einzige Verbindung zwischen apodyterium und Badetrakt. Zwischen den beiden Apsidenräumen (frigidarium und caldarium) befinden sich zwei Räume. Das apodyterium liegt an der Rückseite dieser beiden Räume und des frigidariums. An seine Schmalseite schließt sich im Westen, d. h. an der Rückwand des caldariums, ein nahezu quadratischer Raum mit ungeklärter Bestimmung an. Im Osten ist dem Gebäude über seine ganze Breite ein großer Raum angegliedert, der drei Eingänge an der Langseit und einen an einer Schmalseite aufweist und ein großes vestibulum darstellt. Nördlich schließt der Raum mit drei nur von außen zugänglichen Räumen ab, die wohl als Läden anzusehen sind. Der Komplex umfaßt eine Fläche von 28,50 x 18,25 m.
Eine dem hier untersuchten Gebäude ganz ähnliche Raumdisposition existiert bei einigen römischen Bädern in Rumänien:
Das undatierte Bad von Mehadia (Abb. 79)[193] ist in seiner Südfassade mit zwei Apsiden versehen. Zwischen den beiden Apsidenräumen liegt ein weiterer Raum. Diese drei Räume sind hypokaustiert. An sie schließen sich östlich und westlich je ein weiterer, nicht hypokaustierter Raum an. An der Rückseite der fünf östlichen Räume erstreckt sich ein langer rechteckiger Raum. Die Apsis, die ihn im Westen abschließt, grenzt an die Nordwand des sechsten Raumes der Raumreihe. Aus der Nordwand des Langraumes tritt in seinem östlichen Teil eine Apsis, die ein kreisrundes Bassin enthält. Der Bau, der sich 100 m außerhalb eines Lagers befindet, mißt 12 x 30 m.
Ebenfalls undatiert ist das Bad außerhalb des Lagers von Slâveni (Abb. 80).[194] Zwei Apsidenräume bilden mit einem von ihnen eingeschlossenen Raum, der ein kleinere Apsis hat, und einem außen angrenzenden Raum eine Raumreihe, die durchgehend mit Hypokaustheizung ausgestattet ist. Eine zweite, nicht hypokaustierte Raumreihe liegt auf der der Apsidenfassade entgegengesetzten Seite. Sie besteht aus einem großen Raum, der sich an der Rückwand eines Apsidenraumes und des eingeschlossenen Raumes befindet, und zwei kleineren rechteckigen Räumen, die dem zweiten Apsidenraum und den angrenzenden Raum entsprechen. Aus der äußeren Langseite des großen Raumes tritt ein kleiner rechteckiger, mit einer Apsis endender Raum. Die beheizbare Raumreihe wird als tepidarium, caldarium und laconicum gedeutet, der große Raum ist zweifellos ein apodyterium, an das sich mit dem kleine Apsidialraum ein frigidarium anschließt. Die Deutung der beiden verbleibenden Räume als sudatorium und unctorium sei dahingestellt.
Das Bad vor den Toren des Kastells Dinogetia an der Donau in der nördlichen Dobrogea (Abb. 81)[195] weist ebenfalls im Südwesten eine Raumreihe aus zwei Apsidenräumen und einem zwischengeschobenen, hier fast quadratischen Raum auf, an die sich seitlich ein praefurnium anschließt. Der nordöstlich davon gelegene langrechteckige Raum schließt mit den südöstlichen Apsidenraum ab und geht nordwestlich um etwa eine Raumbreite (ca. 5 m) über den anderen hinaus. In diesem Bereich befand sich neben dem Apsidialraum der Eingang in den Langraum und in das Gebäude insgesamt. Der Langraum hatte gegenüber dem Eingang zum nordwestlichen Apsidenraum eine Apsis. In späteren Bauphasen erhielt der Langraum an seiner südöstlichen Schmalseite eine weitere Apsis und an den nordwestlichen Apsidenraum wurde ein zusätzliches praefurnium angebaut.
Das Gebäude nimmt eine Fläche von 20 x 30 m ein. Es wird ins dritte oder vierte Jahrzehnt des 4. Jh. datiert. Die biapsidiale Raumreihe hat Hypokausten aus Arkadenkonstruktionen oder Gewölben. Außer der später hinzugefügten haben alle Apsiden außen Trapezform.
Der Langraum erfülllte offensichtlich die Funktionen von apodyterium und frigidarium gemeinsam. Von dort trat man direkt in den nordwestlichen Apsidenraum, das tepidarium. Es folgte der Gang durchs sudatorium ins caldarium. In der dem praefurnium am nächsten liegenden großen Rechtecknische dieses südöstlichen Apsidialraumes ist eine Wanne für Warmbäder zu postulieren.
Bei der Betrachtung der Raumanordnung dieser Bäder fällt auf, daß der Besucher hier vom apodyterium aus direkten Zugang zum Warmbadetrakt hatte. Das ist weniger deutlich, wenn apodyterium und frigidarium ohnehin vereint sind. Beim Bad von Slâveni jedoch mußte der Besucher, aus dem Warmbadetrakt kommend, noch einmal durch das apodyterium gehen, ehe er das frigidarium betreten konnte.
Ein direkter Zugang vom apodyterium zum Warmbadetrakt existierte auch bei den Thermen am Westtor von Augusta Traiana (Stara Zagora; Abb. 54)[196] und den großen Thermen von Odessos (Varna; Abb. 39).[197] Allerdings handelt es sich dabei nicht, wie S. Conrad[198] meint, um ungewöhliche Ausnahmen, die mit besonderen Badegewohnheiten zu begründen wären. Beispiele aus Rumänien wurden eben schon gezeigt. Darüber hinaus zeigt die Untersuchung der verschiedenen Badtypen,[199] daß der Weg durchs frigidarium für den Badegang nicht zwingend, sondern eher bestimmten Raumdispositionen geschuldet war. Ein Aufenthalt im frigidarium scheint zwingend am Ende des Bades gestanden zu haben, wie ein bestimmter Ringtyp zeigt.[200] Das frigidarium am Beginn des Badeganges ist daher entweder typisch für den Reihentyp, bei dem der Badende durch dieselben Räume wieder aus dem caldarium zurückkehrt, oder es ist der Raumgestaltung geschuldet, die ihm einen so wichtigen Platz einräumt, daß es gleichzeitig als Durchgangsraum dient.[201] Ungewöhnlich für Odessos und Augusta Traiana wäre demzufolge lediglich der direkte Übergang vom caldarium zum frigidarium. Dazu sei darauf hingewiesen, daß in Augusta Traiana von den hinter den Fassadenräumen gelegenen Räumen ein äußerst geringer Teil ergraben ist, und daß für Odessos die Deutung des an das caldarium anschließenden Mittelraumes als frigidarium  von P. Georgiev bestritten und dieser Raum als tepidarium beansprucht wurde.[202]
Sucht man nach Parallelen für das Gebäude in Oescus unter dem Gesichtspunkt des Badeganges bei der gegebenen Raumdisposition, findet man eine überaus enge Parallele in unmittelbarer Nähe: das "Südostbad" intra muros in Oescus (Abb. 12 und 13). Zwar ist die Deutung der Räume nicht einfach, da die Ausgrabung nicht publiziert ist und der heutige Befund im wesentlichen von der Restaurierung bestimmt wird. Bei einem kritischen Vergleich des von Va^ceva veröffentlichten Planes mit dem von mir aufgenommenen sind jedoch einige Schlüsse möglich: Der Warmbadetrakt ist in einer Raumreihe angeordnet. Er besteht mindestens aus den drei Apsidialräumen (die Zugehörigkeit des nordöstlichen Eckraumes halte ich nicht nur wegen der Restaurierung, sondern auch aus heizungtechnischen Gründen für unwahrscheinlich). Zentrum der Anlage ist das große apodyterium, von dem aus mindestens ein Eingang direkt in den Warmbadetrakt führt. Das frigidarium ist an der an den Warmbadetrakt angrenzenden Seite angeordnet und mit dem vermutlichen caldarium durch einen kleinen, wohl auch beheizbaren Raum verbunden. Man wird also davon ausgehen können, daß es sich bei diesem Bad nicht, wie auf den ersten Blick zu vermuten wäre, um ein Bad im Reihentyp, sondern  eines im Ringtyp handelt, bei dem der Besucher aus dem caldarium nicht auf demselben Wege wieder zurückkehrt, sondern durch ein zwischengeschaltetes tepidarium weiter ins frigidarium und von dort wieder ins apodyterium gelangt.
Dieses Schema läßt sich mühelos auf den Bau extra muros übertragen: Die Räume C bis F wären als Warmbadetrakt zu identifizieren, wobei C als caldarium anzusprechen wäre. Da es sich bei A um das frigidarium handeln müßte, wäre in B ein kleines zwischengeschaltetes tepidarium zu vermuten. Raum G stellte in diesem Schema das große zentrale apodyterium dar.
Eine Parallele vereint den größten Teil der charakteristischen Planelemente des untersuchten Gebäudes: das Bad der Villa bei Madara (Bulgarien) in der dritten Bauperiode (Ende des 3. / Anfang des 4. Jh.) (Abb. 82 und 83).[203] Es hat eine biapsidiale Raumreihe, die durchgängig beheizt ist und den gesamten Warmbadetrakt zusammenfaßt. Dahinter liegt ein großer Raum, von dem im Winkel zum Warmbadetrakt ein weiterer, nicht beheizbarer Apsidialraum abgeht. Letzterer ist durch einen kleinen Raum mit dem vermutlichen caldarium verbunden. Unterschiede bestehen in der Größe des Komplexes (ca. 26 x 15 m), den beiden nördlich angrenzenden Räumen und der Zugehörigkeit zu einer Villenanlage (darin sehr gut vergleichbar der Villa von Konz (Abb. 109)).
Stellt man die Frage nach der typologischen Verwandschaft der Bäder mit einem großen zentralen apodyterium, [204] fällt zunächst eine Gruppe von Bädern in Kleinasien auf, die als »baths with a central rectangular covered galery«[205] oder einfacher als »hall type«[206] bezeichnet werden. Allerdings handelt es sich dabei um eine sehr kleine Gruppe von Bädern, die räumlich eng auf das östliche Pamphylien und einige Städte des kilikischen Hochlandes beschränkt ist. Kennzeichnendes Merkmal ist eine rechteckige Halle, auf deren einer Seite sich die beheizten Räume gruppieren, währen die unbeheizten nach der anderen Seite ausgerichtet sind. Die Verwandschaft dieses Badtypes mit dem hier behandelten Gebäude und den typologisch verwandten Bädern ist nicht sehr eng, allerdings entstehen bei einigen Ausprägungen (z. B. Dinogetia) ähnliche Raumdispositionen.
Keine Beachtung hat bei den plantypologischen Untersuchungen bisher Raum H gefunden, der das Gebäude nach Osten abschließt. Für ein vestibulum etwas überproportioniert, wird man ihn als eine basilica thermarum  zu identifizieren haben, wie sie in den nördlichen Grenzprovinzen zunehmend die palaestra ersetzt hat,[207] wie sie aber auch in Kleinasien in besonderer Mannigfaltigkeit vorkommt.[208] Eine Deutung als palaestra würde einen Vergleich mit kleinasiatischen Bad-Gymnasium-Komplexen[209] möglich erscheinen lassen. Dafür scheint der Raum jedoch zu schmal, im übrigen wird man angesichts der Mauerstärke mit einer Überdachung zu rechnen haben.
Die Ausbildung großer Hallen wie die Räume H oder G sowie die Entmonumentalisierung des Warmbadetrakts im Vergleich zu den großen Bädern des Westens kennzeichnen die Bäder der östlichen Provinzen (z.B. die Thermen von Ankara, Abb. 85.). Auch wenn in Kleinasien und den benachbarten Provinzen das Gymnasium bestimmend für die Entwicklung der Thermen ist, so verliert doch die palaestra im 3./4. Jh. auch hier an Bedeutung. [210]

Wasserversorgung

Für die Zufuhr von Frischwasser zum Gebäude bietet der archäologische Befund bisher keine Belege. Die Tatsache aber, das sich im südöstlichen Stadtgebiet zur angenommenen Bauzeit bereits seit dem 2. Jh. ein Bad befand, läßt vermuten, daß eine Wasserversorgung nicht auf ernsthafte Schwierigkeiten gestoßen wäre. Das Fehlen aller Spuren kann nicht verwundern, wenn man die oben dargelegte Hypothese über den Abbruch der Bauarbeiten akzeptiert (vgl. Abschnitt »Zur Frage der Eingänge und der Beheizbarkeit«). Ein Anschluß an die Wasserversorgung wird sicher erst nach der engültigen Fertigstellung eines Bades geschaffen worden sein.
Eine Abwasserentsorgung war, unter den oben dargelegten Bedingungen, möglich (s. Abschnit »Die unterirdischen Korridore und die Tonröhren«). Dafür spricht auch, daß der einzige Befund, der sicher mit der Wasserversorgung in Verbindung gebracht werden kann, die horizontale Tonröhre in Raum A, an der gleichen Stelle des Gebäudes nach außen tritt, an der auch der Ausfluß der unterirdischen Korridore vermutet werden muß. Selbst wenn Untersuchungen ergeben sollten, daß wegen der Höhenverhältnisse die unterirdischen Korridore nicht zu Entwässerung gedient haben können, so schließt das eine Deutung als Bad nicht aus; die hypothetische Badeetage lag ja wesentlich höher.
 

2.6 Zusammenfassung

Es konnte gezeigt werden, daß die bisherigen Gründe, eine Deutung des Baus als Bad auszuschließen, nicht zwingend sind, wenn folgende Annahmen akzeptiert werden:
- Da der Abschluß der unterirdischen Korridore nordöstlich von Raum A keineswegs sicher ist, besteht die Möglichkeit, daß sie zusammen mit den vertikalen Tonröhren und den Schrägröhren ein System zur Ableitung des sich auf dem Dach sammelnden Regenwassers wie auch des Abwassers des Badebetriebes bildeten. Voraussetzung dafür ist ein hinreichender Niveauunterschied sowohl innerhalb der Korridore als auch zwischen Korridoren und Stadtgraben. Das zu überprüfen, wäre die Aufgabe neuer Forschungen.
- Eine Beheizbarkeit des Gebäudes ist dann nicht ausgeschlossen, wenn sich, in Anbetracht des feuchten Untergrundes, das Hypokaustgeschoß oberirdisch befinden sollte. Dann hätten ferner die Eingänge der Räume in einer Höhe gelegen, wie sie heute durch die maximale Erhaltungshöhe nur noch an einigen Stellen des Gebäudes markiert wird, so daß die Verbindung zwischen den Räumen im Nutzungsgeschoß nicht mehr zu rekonstruieren wäre.
Darüber hinaus wurde eine Hypothese aufgestellt, die das Fehlen aller Spuren von Hypokausten und Wasserzufuhr erklärt. Die Vermutung, daß das Gebäude nicht fetiggestellt wurde, konnte mit der vorgeschlagenen Datierung in die erste Hälfte des 3. Jh., seiner Lage vor der Stadtmauer und der historischen Situation in Niedermösien in den Jahren nach 238 u. Z. unterstützt werden. Für eine Einbeziehung von Oescus in die Kämpfe 250/51 wurden außer den historischen Nachrichten auch archäologische Belege gefunden.
Schließlich konnte durch typologische Untersuchung des Grundrisses dessen enge Verwandschaft mit den Grundrissen von Bädern, insbesondere auch in Bulgarien, nachgewiesen werden. Auch wenn die Zahl der Parallelen nicht ausreicht, um eine eigene Gruppe zu postulieren, so scheint doch im niedermösisch-dakischen Bereich die aus der Badarchitektur bekannte biapsidiale Raumreihe eine besondere Ausprägung erfahren zu haben, bei der das frigidarium aus der Raumreihe verdrängt und zum Appendix eines neu hinzutretenden größeren oblongen Raumes wurde. Im "Südwestbad" von Oescus, möglicherweise auch beim Gebäude extra muros und beim Badetrakt der Villa von Madara wird der nach Ursprung und Form dem Reihentyp angehörende Grundriß so erweitert, daß ein ringförmiger Baderundgang möglich wurde.
Bei allen beobachteten Ähnlichkeiten bleibt das Gebäude dennoch ein Unikat: Keines der untersuchten Bäder mit einem eng verwandten Grundriß erreicht eine derartige Größe und Massivität. Das Bad, das unter Beibehaltung des Planschemas nach Aufgabe des außerstädtischen Baus an der Stelle eines - möglicherweise ebenfalls bei Barbareneinfällen in Mitleidenschaft gezogenen - Bades aus dem 2. Jh. u. Z. als Ersatz innerhalb der Stadtmauern gebaut wurde, hatte schon bescheidenere Ausmaße.
Auch der Grundriß des Gebäudes extra muros war aber im Vergleich dazu noch komplizierter: Der Warmbadetrakt umfaßte vier Räume, die alle separat zu beheizen waren. Dabei standen die beiden mittleren noch durch indirekte Heizkanäle in Verbindung. Es darf also angenommen werden, daß geplant war, bei mangelndem Bedarf die beiden südlichen praefurnia stillzulegen, wobei Raum E von Raum D aus weiter indirekt beheizt worden wäre, so daß ein dreigliedriger Warmbadetrakt entstanden wäre. Daß Raum C als caldarium zu identifizieren ist, wurde oben schon dargelegt, ebenso die Deutung von Raum B als weiteres kleines tepidarium. An der Identifizierung des einzigen mit Sicherheit unheizbaren Raumes A als frigidarium des hypothetischen Bades kann kein Zweifel bestehen. Das große apodyterium G ist ungewöhnlich auch durch die es gliedernden Zungenmauern. Sie dienten wohl auch der Erleichterung der Dachkonstruktion, die man sich als eine Reihe von Tonnengewölben vorstellen darf, wie das auch aus den vermutlichen Regenröhren in den Zungenmauern deutlich wird. Möglicherweise war der Innenraum auch von Kreuzgewölben überspannt.
Letztlich ungeklärt bleibt die Frage der Eingänge in das Gebäude. Es stehen dafür zwei Möglichkeiten zur Disposition, die beide gute Argumente für sich haben. In Parallele zum "Südostbad" könnte man einen Eingang an der dem frigidarium gegenüberliegenden Südseite des apodyteriums vermuten. Beim "Südostbad" steht allerdings zum Ausgleich des Höhenunterschiedes ein kleiner Vorraum zu Verfügung. Für das hier untersuchte Gebäude müßte entweder eine Freitreppe oder eine ins Innere des Saales reichende Treppe angenommen werden. Die zweite Möglichkeit wäre, auf die ohnehin nicht sehr wahrscheinliche Annahme, Raum H wäre beheizt gewesen, zu verzichten. Dann hätte der Besucher durch die noch erhaltenen Eingänge zunächst das niedrigere Niveau der basilica thermarum betreten, um dann die Niveauunterschiede im Gebäude mit Treppen zu überwinden.
Mit den Räumen G und H geht der Plan des Gebäudes über die vergleichbaren Anlagen hinaus und manifestiert Einflüsse, die mir, wie ich oben schon angedeutet habe, nach Kleinasien zu weisen scheinen und wie wir sie in Oescus mehrfach finden.[211] Ursache dafür ist wohl vor allem, daß ein bedeutender Teil der Bevölkerung Oescus' aus dem griechischen Osten stammte.[212]
Das Ziel dieser Arbeit konnte nicht sein, den Zweck des Gebäudes extra muros in Oescus, des sogenannten "Frovabau", eindeutig zu klären. Es ist jedoch - so hoffe ich - gelungen zu zeigen, daß die vorgeschlagene Deutung nicht wie bisher völlig ausgeschlossen werden muß, und ihr darüber hinaus einige Wahrscheinlichkeit zu geben. Zukünftige Arbeiten in Oescus werden die hier geäußerten Thesen wahrscheinlicher machen - oder mit mehr Sicherheit widerlegen. In jedem Fall steht zu hoffen, daß die Arbeiten an dieser großartigen antiken Stätte bald in größerem Umfang wieder aufgenommen werden können.
 

3. Anhang: Funde der Kampagnen 1941-43 im Historischen Museum Pleven[213]

3. 1 Kleinplastik

3.1.1 Bronzen

  • Venusstatuette, greift mit der erhobenen Linken eine Haarsträhne, die herabhängende Rechte hält ein Blatt oder den Zipfel eines abgelegten Gewandes. Keine Größenangabe.  Frova (1948) 102 Abb. 85.
  • Erosstatuette, hält in der Rechten eine Schlange, das rechte Bein ist vorgestellt, der Oberkörper leicht zurückgeneigt, die Linke erhoben, der linke Unterarm fehlt. Höhe 0,11 m.  Frova (1948) 102 Abb. 86 87.
  • Apollstatuette, Standbein rechts, Kopf nach rechts gewandt, auf dem Rücken der Köcher, in der Linken mit gerade nach vorn gewinkeltem Unterarm den Bogen haltend, in der herabhängenden Rechten ein Blatt (?). Höhe 0,10 m.- 88-89.
  • Victoriastatuette, in der Linken den Palmzweig, die Rechte erhoben, rechte Hand verloren. Höhe 0,093 m, Höhe des Stiftes zur Verankerung 0,04 m.- Frova (1948) 103 Abb. 91.
  • 3.1.2 Terrakotten

  • Venusstatuette ohne Kopf, mit der Rechten den Busen bedeckend, zieht mit der Linken einen Gewandzipfel vor die Scham. Höhe 0,18 m, Breite 0,07 m.- Frova (1943) 24-25 Abb. 43.
  • Flaches rundliches Medusenhaupt, mit Stift, drei Kreise von Punkten um den Kopf sekundär eingeritzt, ein weiterer um den Mund. 0,08 x 0,07 m, Höhe 0,05 m.- Frova (1943) 25 Abb. 44.
  • Groteskes männliches Köpfchen mit afrikanischen Gesichtszügen, am Hals eine Öffnung, an Kalotte und Nase bestoßen, von Feuer geschwärzt. Höhe 0,07 m.- Frova (1948) 109 Abb. 106.
  • 3.2 Sonstiges

  • Bronzeapplikation: flacher Ring, darin vier Pelten, diese und die vier Strahlen zwischen ihnen untereinander und mit dem Ring verbunden, außen am Ring an drei Seiten abgebrochene Ansätze; Teil eines Pferdegeschirrs? Keine Größenangabe.- Frova (1948) Abb. 95.
  • Durchbrochen gearbeitetes Bronzeobjekt, flach, rechteckig, eine Schmalseite abgerundet, die andere offen; Beschlag einer Riemenzunge? Keine Größenangabe.- Frova (1948) Abb. 95.
  • Aufhängung eines Wagenkastens, Bronze, die Seitenarme in Schwanenköpfen (?) endend, der obere Abschluß kugelförmig, auf der Oberseite mit aufgesetzter Rosette verziert. Keine Größenangabe.- Frova (1948) Abb. 97.
  • Einige der bei Frova erwähnten und abgebildeten Objekte stammen zwar nicht aus der Grabung, sollen aber der Vollständigkeit halber hier auch erwähnt werden:

  • Grabstele des C. Cornelius Iustus, Giebelfeld mit Relief eines Legionärs, zu beiden Seiten des Giebelfeldes ein Adlerrelief. Inschrift: G(CORNELIVS IVSTVS | MIL[es] LEG[ionis]XIC[laudiae]P[iae]F[idelis]MOECIA | PEL[agonia]MIL[itavit] ANN[is] XVI VIX[it] | AN[nis] XXXV HIC SITVS | EST; kleiner darunter: CORNELIVS | IVSTVS F[ilius]F[aciundum]C[uravit] | PATRI. [214] In Ligatur: LL, ANN. Höhe 1,59 m, Breite 0,88 m, Dicke 0,23 m, Buchstabenhöhe 0,06 m.  Frova (1943) 31 Abb. 47.[215]
  • Relief: Mithras als Stiertöter, das Knie auf den Rücken des Stiers setzend, mit einem den Stier anfallenden Hund, auf der Basis eine Schlange; es fehlt der Kopf des Mithras. Länge 0,60 m.  Frova (1943) 32 Abb. 51.

  • Im Garten des Museums in Gigen:

  • Grabstele aus Brest (bei Gigen), Kalkstein, cena funebris in einer Lunette, bekrönt von Pinienzapfen zwischen zwei Löwen, darunter Weinrankenornament. Erh. Höhe 1,53 m, erh. Breite 0,64 m, Dicke 0,40 m.- Frova (1948) 99 Abb. 80.
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    Abbildungsverzeichnis

    (Abbildungen sind in der Internetversion leider vorläufig nicht verfügbar.)